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Mission Clockwork

Mission Clockwork

Titel: Mission Clockwork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Slade
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Mr Wellington ebenfalls gerade, ohne es zu wissen, dabei war, den Interessen der Organisation zu dienen. Im Laufe des Tages waren ihre Gedanken des Öfteren zu ihm abgeschweift. Seine Stimme hatte jung geklungen. Sie hatte bislang nur zwei weitere Agenten kennengelernt und beide waren behäbige alte Spinnen gewesen.
    Mr Wellington hatte einen gedämpften Tonfall und in seiner Stimme schwang etwas Sanftes mit, das sie berührt hatte. Und er klang nicht verbittert.
    Sie fragte sich, wie er wohl aussah. Sie stellte ihn sich mit einem Backenbart vor und musste lachen. Nein, so etwas trugen Seeleute oder alte Männer. Vielleicht eher gepflegtes kurzes Haar, leicht gewellt, und eine gerade, schmale Nase?
    Als Octavia noch im Waisenhaus lebte, hatte sie oft davon geträumt, dass ein Mann kommen und sie retten würde. »Ich bin dein Vater«, würde er sagen, »und mein Schiff ist untergegangen. Deshalb bist du hier im Waisenhaus. Aber jetzt bringe ich dich nach Hause.« Oder er war der reiche Onkel. Als sie älter wurde, hoffte sie auf einen jungen Prinzen und sie malte ihn sich so oft aus, dass sie sein Gesicht deutlich vor sich sah. Letztlich kam niemand, um sie zu holen. Also verließ sie das Waisenhaus eines Tages auf eigene Faust und begann, sich als Taschendiebin durchzuschlagen.
    Sie konnte nicht anders, als sich Mr W als den jungen Prinzen vorzustellen, von dem sie als Kind geträumt hatte. Du bist eine Närrin, Octavia . Sie lachte. Mr Wellington konnte ebenso gut hässlich wie Old Taff sein, der Alte, der ihr beigebracht hatte, auf der Straße zu überleben. Nebenbei bemerkt, hatte es bereits einen Prinzen in ihrem Leben gegeben: Taffs »Adoptivsohn« Garret. Er war dem großen Bruder, den sie nie hatte, sehr nahegekommen. Doch der Gedanke an ihn machte sie traurig und so schob sie das Bild von seinen dunklen Haaren und Augen beiseite.
    Octavia ging auf die Breckham Moral and Industrial School zu, ein ehemaliges Gefängnis, das zu einem Waisenhaus umfunktioniert worden war, in dem die Kinder auch eine Berufsausbildung erhielten. Der Anblick erinnerte sie an Lady Cotterels Waisenhaus, wo man versucht hatte, sie mit dem Rohrstock zu formen. Sie hatte die Erzieherinnen dort gehasst – und umgekehrt.
    Aber egal. Jetzt war sie wie ein Hausmädchen gekleidet, das im Dienste irgendeiner imaginären Dame stand. Und das hier war auch nicht Lady Cotterels Waisenhaus. Diese Einrichtung leistete gute Arbeit, indem sie junge Mädchen ausbildete und nach Kanada oder Australien zum Arbeiten schickte.
    Sie betätigte den Türklopfer und der Klang hallte in der Nacht wider. Im Haus näherten sich leise Schritte der Tür. Sie wurde geöffnet und ein junges Mädchen in einem schwarzen Kleid sah sie an.
    Â»Was woll’n Sie?«, nuschelte es. Doch noch bevor Octavia antworten konnte, tauchte ein Besen hinter dem Mädchen auf und landete mit einem heftigen Schlag auf seinem Kopf.
    Aus dem dunklen Korridor rügte eine heisere, müde Stimme: »Es heißt ›Guten Abend‹, wenn du nach achtzehn Uhr die Tür öffnest. Das ist eine höfliche Begrüßung. Wie oft muss ich dir das noch sagen?« Eine Hand kniff das Mädchen, das sich duckte, fest ins Ohr und riss es von der Tür weg. »Geh ins Bett!«
    Das Waisenmädchen rannte den Korridor hinunter und hielt sich schluchzend das Ohr. Eine alte Frau in einem braunen Kleid trat aus dem Schatten hervor. »Guten Abend. Wie kann ich Ihnen helfen?« Das Haus – oder die Frau – verströmte einen Dunst von gekochtem Kohl. Octavia hasste diesen Geruch. Kohl war das Einzige, was es bei Lady Cotterel zum Frühstück, Mittag- und Abendessen gegeben hatte.
    Â»Sind Sie die Heimleiterin?«
    Â»Ja. Die Uhr hat bereits halb zehn geschlagen. Fast alle im Haus schlafen schon.«
    Â»Ich wurde geschickt, um mich nach einer möglichen Kandidatin für die Dienste von Lady Mordray zu erkundigen. Ich habe die Anweisungen meiner Dienstherrin nicht hinterfragt.«
    Â»Aha, gut. Sie zählen also zur wohlerzogenen, gehorsamen Sorte …«, antwortete die Frau und drehte den Kopf, damit ihre Stimme bis ans Ende des Korridors zu hören war, »ganz anders als manch eine in diesem Haus.«
    Die Frau erinnerte Octavia ein wenig an Lady Cotterel. Bis vor wenigen Jahren war Octavia dem Mädchen, das die Tür geöffnet hatte, sehr ähnlich gewesen. Sie

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