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Mission Clockwork

Mission Clockwork

Titel: Mission Clockwork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Slade
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Octavia vorbei und schlich auf Zehenspitzen den Korridor hinunter. Octavia blickte prüfend in beide Richtungen und folgte ihr. Sie bogen um eine Ecke, dann um eine weitere und schließlich blieb das Mädchen vor einer Holzlattentür stehen.
    Â»Ich geh da nich’ mit runter.«
    Octavia beugte sich hinunter und küsste das Mädchen auf die Stirn.
    Â»Wofür das denn?«
    Â»Danke. Du solltest jetzt zusehen, dass du etwas Schlaf bekommst.«
    Aber das Mädchen rührte sich nicht und beobachtete, wie Octavia mit Mühe die große Tür aufzog und sich die Treppe hinuntertastete. Es war dunkel und in der Luft lag ein so übler Geruch, dass sie sich die Nase zuhalten musste. Vielleicht war das hier früher einmal eine Klärgrube gewesen, bevor man die Kanalisation unter der Stadt angelegt hatte.
    In der hinteren Ecke des Raums schimmerte ein gespenstisches blaues Licht hinter einem schwarzen Vorhang hervor. Der Weg dorthin war versperrt mit kaputten Stühlen, alten Kleidern, einem Kohlehaufen sowie Töpfen und Pfannen. Der Kellerboden war erdig und feucht. Sie musste aufpassen, um nicht auszurutschen. Vorsichtig bewegte sie sich durch den Raum, stieg über einen Haufen Ziegel und schlängelte sich zwischen anderem Gerümpel hindurch, bis sie vor dem Vorhang stand. Sie zog ihn beiseite – und es verschlug ihr den Atem.
    Vor ihr lag – an Armen und Beinen gefesselt – ein junges Mädchen mit roten Haaren auf einem Eichentisch. Ester . Die Öllampe, die von der Decke herabhing, warf so viele Schatten, dass sie auf den ersten Blick wie ein ganz normales Kind wirkte, doch als Octavia in dem trüben Licht genauer hinsah, erkannte sie, dass ihr Gesicht unnatürlich lang war, ihre Nase flach und breit und um sie herum lagen Haarbüschel auf dem Tisch, die ihr ausgefallen waren. Ihre muskulösen Arme und Beine waren mit einem rötlichen Flaum überzogen. Sie trug eine Gamaschenhose, die zerfetzt war, als wäre sie über spitze Steine gekrochen, und ihre schmutzigen Füße waren deformiert.
    Wolfskrankheit. Jetzt verstand Octavia, was das kleine Mädchen gemeint hatte. Wie in dem Brief gefordert, prägte sie sich sämtliche Einzelheiten ein und untersuchte gewissenhaft die Schultern. Da war tatsächlich irgendetwas Merkwürdiges. Sie beugte sich tiefer über das Mädchen. Aus jeder Schulter ragte ein großer, glänzender Eisenbolzen hervor, der sich durch Esters Kleid bohrte und fast bis zum Ohr reichte. Octavia zog den Stoff an den Löchern beiseite und entdeckte zu beiden Seiten der Bolzen frische Nähte in der Haut.
    Octavias Magen revoltierte. Sie hatte viele grauenvolle Dinge in ihrem jungen Leben gesehen, aber bei diesem Anblick brauchte sie länger als gewöhnlich, um ihre Fassung wiederzugewinnen.
    Wer sollte einem kleinen Mädchen so etwas antun? Die Heimleiterin? Führte sie irgendwelche abscheulichen Experimente durch? Wenn das stimmte, dann zählten wichtige Leute zu ihren Freunden, denn hierfür benötigte man einen Chirurgen. Octavia hatte Gerüchte gehört, dass Straßenkinder verschwanden. Vielleicht war die Leiterin des Waisenhauses irgendwie in die Sache verwickelt. Oder sie hatte Ester in diesem Wolfszustand gefunden und wollte ihre Investition nicht verlieren? Und hatte sie deshalb festgebunden, in der Hoffnung, die Krankheit werde vergehen und Ester könne zum normalen Leben im Waisenhaus zurückkehren. Aber wofür um alles in der Welt waren bloß diese Bolzen in den Schultern?
    Ester lag wie tot auf dem Tisch. Octavia streckte langsam die Hand aus und berührte einen der Bolzen. Das Metall war kalt. Ester entfuhr ein Klagelaut, es klang wie ein dunkles Aufheulen. Octavia fielen an den Armen und Beinen Spuren von den Fesseln auf, verschorfte Stellen und nässende Wunden. Sie lag hier schon seit einigen Tagen. Octavia überlegte, ob sie versuchen sollte, das Mädchen zu wecken, aber in dem Brief war sie nur um ihre Beobachtungen gebeten worden.
    Gerade als sie sich zum Gehen anschickte, schlug Ester die Augen auf. Sie blickte wild um sich, bis sie Octavia bemerkte.
    Â»W-wer, wer bist du?«, fragte sie mit rauer Stimme.
    Â»Ich bin … eine Freundin.«
    Â»Arme tun weh. Mach mich los.«
    Der Befehl hatte gelautet, ihren Zustand zu überprüfen. Nichts weiter. Nun ja, das kann ich auch tun, während ich sie zu einem Arzt bringe, dachte

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