Mission Clockwork
hatte â sie geschleudert hatte! Ihre Rippen schmerzten noch immer! Das Mädchen war unnatürlich stark.
SchlieÃlich gab Octavia schweiÃgebadet auf, an dem Deckel zu zerren und Ester fassen zu wollen. Sie hatte in jedem Fall den Auftrag, den man ihr erteilt hatte, mehr als erfüllt. Und Ester war wenigstens nicht mehr in dem Waisenhaus gefangen â auch wenn Octavia mittlerweile zweifelte, ob das so gut war. Falls Ester sich tatsächlich in der Kanalisation versteckte, dann war sie allem Anschein nach stark genug, um mit jeder denkbaren Gefahr dort unten fertigzuwerden.
Octavia schlüpfte in ihre Schuhe, blickte sich ein letztes Mal um und verlieà den Park. Als einige Minuten später endlich eine Droschke die Hadford Street entlanggefahren kam, hielt Octavia sie mit einem Handzeichen an. Während der Kutscher sie zu der gewünschten Adresse fuhr, schrieb sie ihre Beobachtungen zu Esters Zustand nieder. Dafür holte sie aus ihrer Schärpe einen Bleistift und ein Stück Papier hervor. Konzentriert biss sie sich auf die Lippe. Bei jeder Unebenheit auf der StraÃe wurde ihre Schrift krakelig. Sie hoffte, die Nachricht würde dennoch leserlich sein. In der Dunkelheit war das schwer zu sagen.
Octavia bat den Fahrer, zu warten, trat durch das groÃe eiserne Tor und schritt die Auffahrt zu einem dreistöckigen Herrenhaus hinauf. An einer Ecke des Gebäudes befand sich ein groÃer Turm, aus dessen schmalen Fenstern Licht drang. Der Briefkasten war ein kleines Türmchen und Octavia klappte die Zugbrücke herunter, um ihren Brief einzuwerfen. Als die Brücke wieder hochklappte, ertönte leise eine Glocke. Octavia eilte zurück zur Droschke.
Nachdem der Kutscher sie am Langham-Hotel abgesetzt hatte, ging sie bis zum hinteren Ende des Hotels und wartete, bis die Luft in der Bond Street rein war. Sie vergewisserte sich, dass niemand aus einem der Hotelfenster blickte, raffte ihre Röcke und stopfte sie in die Schärpe. Dann kletterte sie zu dem schmalen Balkon ihres Zimmers hoch und schwang sich mit den Beinen voraus durch das offene Fenster. Es war nicht gerade ein formvollendeter Auftritt, denn ihr Kleid blieb an dem eisernen Gitter hängen und Octavia kam sich halb nackt vor, als sie schlieÃlich strampelnd zwischen den langen, schweren Vorhängen hindurch ins Zimmer gelangte. Während sie sich bemühte, ihre Röcke zu ordnen, beneidete sie Männer um ihre Hosen. Sie träumte davon, an einem Ort zu leben, wo sie immer Hosen tragen dürfte. Vielleicht auf einer Insel. Mit einem Prinzen.
»Na, haben wir einen kleinen Spaziergang gemacht?«, blaffte eine barsche Stimme sie an.
Octavia schluckte ihre Angst hinunter und antwortete so ruhig wie möglich: »Ich brauchte etwas frische Luft.«
»Hm. Und vor der Tür ist die Luft nicht frisch?«
Die Stimme kam aus der hinteren Ecke des Zimmers.
»Manchmal möchte eine Dame ein wenig ungestört sein.« Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Sie hatte in ihr Kleid eine kleine Ãffnung eingearbeitet, damit sie blitzschnell ihr Stilett aus dem Futteral ziehen konnte, das sie am linken Oberschenkel trug. Sie griff nach dem Heft des Messers. Ich habe eine einzige Chance , sagte sie sich. Fest zuzustechen.
»Suchen Sie nach Ihrer Waffe?«, fragte die Stimme.
Ein schlurfendes Geräusch war zu hören, das Knarzen einer Diele. Octavia holte tief Luft. »Nein, nein. Ich glätte nur mein Kleid.«
»Dann nehmen Sie die Hand da weg. Langsam.«
Sie gehorchte und lieà das Messer im Futteral stecken. »Ich fürchte, ich bin Ihnen gegenüber im Nachteil, Sir. Ich kenne Ihren Namen nicht.«
»Und ich kenne Ihren ganz offensichtlich ebenso wenig. Und genau da liegt das Problem.« Er lachte leise. »Oder sollte ich sagen, eine Lüge ist das Problem! Ja, das trifft es ziemlich gut. Lüge. Lüge. Lüge.«
Octavia hatte keinen blassen Schimmer, wovon er redete. Er klang so, als hätte er einen leichten Dachschaden. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und sie konnte die Umrisse ihres Betts und der Kommode daneben ausmachen und auÃerdem eine plumpe Silhouette auf einem Stuhl in der Ecke.
Sie schätzte die Entfernung ab â höchstens drei oder vier Meter. Sie könnte blitzschnell angreifen und zustechen. Allerdings trug er wahrscheinlich eine Pistole bei sich.
»Warum faseln Sie die ganze Zeit von
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