Mission Clockwork

darauf und mit einem Sssip und einem Funken entzündete sich ein helles Licht. »Wumm!«, machte sie genau vor seinem Gesicht. Erschreckt zuckte er zusammen. Ihre Stimme hallte in dem Tunnel wider. »Das ist nicht witzig, Miss Milkweed«, zischte er. »Still! Wir haben keine Ahnung, wie nah unsere Feinde vielleicht sind.«
    Octavia bemühte sich vergeblich um einen bedauernden Gesichtsausdruck.
    Â»Was ist das für eine Lampe?«, fragte Modo.
    Â»Eine Taschenlampe – eine von Mr Socrates’ kleinen technischen Spielereien.« Octavia hielt das Gehäuse einer Taschenuhr hoch, in das eine Lampe eingebaut war. Der Lichtstrahl fiel direkt auf Modo und er hielt sich schnell die Hand vor die Augen. Einen Moment lang schien Octavia sein eines Auge größer zu sein als das andere. »Sie wird von einer elektrischen Zelle betrieben.«
    Â»Elektrische Zellen können so klein sein?«
    Â»Natürlich. Du solltest Mr Socrates auch um so eine Lampe bitten. Er besitzt alle möglichen ausgeklügelten Erfindungen: Druckluftpistolen, kabellose Fernschreiber, elektrische Nagelscheren …« Sie lachte. »Das Letztere habe ich erfunden. Also, was meinst du, welche Richtung sollen wir einschlagen?«
    Im Schein der Lampe konnte man einen bogenförmigen Tunnel aus Ziegelsteinen erkennen und einen langen Strom mit Abwässern, der in die Dunkelheit entschwand. Hier und da huschten große Ratten über die Steinkanten.
    Â»Keine Ahnung«, erwiderte Modo.
    Â»Dann vorwärts. Nennen wir es Octavias Intuition. Ich schätze, ich muss meine Schuhe opfern. Ich werde nicht barfuß durch diese Brühe waten. Ich bin nicht so hart im Nehmen wie die Leute, die an der Themse nach Schrott suchen.«
    Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, derlei Aufgaben ohne langes Abwägen anzugehen. In ihrem Metier konnte ein Zögern tödlich sein. Allerdings könnte bei diesem Einsatz allein schon der Gestank tödlich sein, sagte sie sich. Sie stieg in den kalten Strom und biss die Zähne zusammen, als sie spürte, wie er ihre Waden und Knie umspülte. Er bestand nicht nur aus menschlichen Exkrementen, sondern trug schlicht alles mit sich, was den Abfluss hinuntergespült werden konnte: Lumpen, Zweige und Blätter, aber auch Fett, Blut und Hautreste aus den Schlachthöfen.
    Nahe der Wand hatte sich ein Strudel gebildet, in dem ein Baby mit dem Gesicht nach oben trieb. Sein linker Arm hing über einem gemauerten Vorsprung. Octavias Magen zog sich zusammen, doch als sie zögernd einen Schritt darauf zumachte, erkannte sie, dass es sich nur um eine Stoffpuppe mit Porzellankopf handelte.
    Sie hielt die Taschenlampe hoch über ihren Kopf und sagte leise: »Die Tunnel sind kilometerlang. Wir könnten sogar unterirdisch zum Buckingham Palace marschieren und beobachten, wie die Königsfamilie ihr Geschäft erledigt.«
    Â»Sag so was nicht mal im Spaß!«, rief Modo aus.
    Octavia lachte und erwiderte: »Du bist wohl hinterm Mond aufgewachsen!«
    Â»Was meinst du?«
    Â»Du bist so eine Klosterschwester.«
    Â»Das stimmt doch gar nicht.«
    Â»Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel.«
    Â»Ich bin keine Dame! Und wage es nicht, Shakespeare zu zitieren. Du magst ihn nicht einmal.«
    Octavia zuckte mit den Schultern, warf ihr Haar zurück und watete weiter Modo voraus. Ab und zu geriet sie auf dem unebenen Kanalboden ins Rutschen und schwankte hin und her. Verständlicherweise fürchtete sie, zu stürzen. An den Linien, die sich an den Seitenmauern gebildet hatten, ließ sich ablesen, wie hoch der Pegel bei Starkregen anschwellen konnte. Sie stellte sich vor, wie sie und Modo bei einem plötzlichen Platzregen innerhalb von Sekunden bis zur Brust im Schlamm stehen oder wer weiß wohin fortgerissen würden.
    An einer Gabelung hielten sie an. Octavia schwenkte ihre Taschenlampe hin und her. »Hm, sollen wir rechts oder links weitergehen?«
    Â»Da entlang«, antwortete Modo aufgeregt. »Hier wurde ein Dreieck in die Mauer geritzt.«
    Â»Na, das nenne ich Glück.« Octavia klopfte ihm auf den Rücken.
    Â»Tu das nicht!«, flüsterte Modo wütend. »Bitte berühre meinen Rücken nicht.«
    Verwirrt zog sie ihre Hand zurück und ließ ihn vorangehen. Eine ganze Weile folgte sie ihm schweigend und fragte sich, warum er sie wohl so angefahren hatte, dann ergriff sie erneut das