Mission Eureka
Unberechenbarkeit machte einen Teil des
Reizes aus, den sie auf ihn ausübte.
»Das schlechte Gewissen überkommt einen immer im Morgengrauen«, sagte er.
»Ach, ich wuÃte gar nicht, daà du überhaupt eines hast.«
Sie war wütend; deutlicher hätte sie es ihm nicht zeigen können. Er hätte es
wissen müssen. Er hatte sie abgewiesen. Eine schwerere Kränkung konnte
es für eine Giovanna Waldegg kaum geben.
»Ich â¦
ich ⦠wollte dich wirklich ⦠es ist nur â¦Â« stammelte er
verlegen und suchte verzweifelt nach Worten. Plötzlich wandte sie sich
wieder zu ihm um und lächelte ihn an â ihn aufs neue verblüffend.
»Entschuldige bitte«, sagte sie. »Ich ⦠es war nicht so gemeint. Ich wollte dir einfach weh tun.«
Er
nickte. »Schon gut.« Er fühlte sich schrecklich. Champagner und belegte
Brötchen machen Sodbrennen, hatte irgend jemand mal gesagt. Und jetzt
holte ihn auch noch seine Vergangenheit ein und quälte ihn. Sodbrennen
und Schuldgefühle; eine schlimme Kombination.
»Komm«,
sagte sie, stellte ihr Glas auf die Fensterbank, hob die Hände wie zum
Zeichen der Kapitulation und legte sie auf seine Rockaufschläge.
»SchlieÃen wir Waffenstillstand, ja?« Am liebsten hätte er ihren Kopf
an seine Brust gezogen und sie gestreichelt. Und als sie im gleichen
Moment sagte: »Würdest du mich jetzt bitte aus diesem schrecklichen
Affenzirkus rausbringen und mich zu meiner Wohnung begleiten?«, gab es
für ihn nur eine Antwort.
Sie gingen getrennt hinaus
und trafen sich am Fuà der groÃen Steintreppe. Sie hatte sich einen
seidenen Schal um die Schultern gelegt. Die Abendluft war warm, es roch
nach Bougainvillea. Als sie den linken Arm um ihn legte, spürte er
wieder die weiche Rundung ihrer Brust an seinem Arm. Langsam gingen sie
die Auffahrt hinunter.
»Wir können doch trotzdem Freunde bleiben, nicht wahr?« fragte sie.
Auch darauf gab es nur eine Antwort.
Sie
nahmen den malerischen Weg zu ihrer Wohnung, vorbei am Trevi-Brunnen
und an der Spanischen Treppe. Er fragte sie, ob sie etwas essen wolle,
aber sie schüttelte den Kopf. Als sie vor ihrer Haustür ankamen,
brauchte sie ihn nicht zu fragen, ob er mit zu ihr heraufkommen wolle.
Es war klar. Sie hielt einfach die Tür auf, und er ging hinein. Oben
angekommen, machte sie Feuer im Kamin; wenig später erfüllte der
würzige Duft von Fichtenholz den Raum.
»Cognac?« fragte sie.
»Gern.«
»Ich habe deine Lieblingsmarke.«
Er nickte. »Perfekt. Man könnte fast meinen, du hättest mich erwartet.«
Sie
lächelte und schenkte ihm ein. Sie erhoben ihre Gläser und stieÃen auf
ihre Freundschaft an. Dann kniete sie sich vor den Läufer vor dem Kamin
und starrte in die Flammen.
»Wir haben nur dieses eine Leben, Thomas. Warum machen wir es uns so schwer?«
Ja,
warum eigentlich, dachte er. Er schaute hinunter auf ihren
wohlgeformten Nacken und wuÃte in dem Moment, daà er im Begriff war,
sich sein Leben noch schwerer zu machen.
Es
war besser gewesen, als er es in Erinnerung gehabt hatte. Es war besser
gewesen als in den Phantasien, die er sich in den einsamen nächtlichen
Stunden in seinem Hotelbett erlaubt hatte. Hemmungslos und
leidenschaftlich hatten sie sich einander hingegeben, fast brutal
bisweilen, ja zerstörerisch, fast so, als ob ein Teil von ihnen den
anderen haÃte; und als sie schlieÃlich wohlig erschöpft nebeneinander
lagen, ging ihm ein Satz durch den Kopf: odio et amo. Ich liebe sie und ich hasse sie.
»Wenn das Freundschaft ist«, murmelte sie, »dann hat so eine Freundschaft eine Menge für sich.«
»Ich könnte mich glatt daran gewöhnen.«
Sie
lächelte und lieà die Finger über seine Brust gleiten. »Es ist schön,
wenn du so entspannt bist«, sagte sie. »Du warst anfangs so verkrampft.
Ist alles in Ordnung?«
»Ja.«
»Ich habe da so Gerüchte gehört«, fuhr sie fort. »Von wegen, ihr hättet Schwierigkeiten, Geld von E UREKA zu bekommen.«
Er
richtete sich abrupt auf und schaute sie an. Ihre Augen waren
geschlossen. Er entspannte sich wieder und lieà den Kopf in das Kissen
zurücksinken. Sie schlug die Augen auf.
»Nein«, sagte er. »Und selbst wenn es stimmte, wäre es Goncourts Problem und nicht meins.«
»So
ganz kalt kann dich das aber wohl doch nicht
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