Mission Eureka
schweifen. »Mehr als fünftausend
Menschen verlieren dann ihren Arbeitsplatz. Ja, schauen Sie sie nur
an.« Er spielte jetzt für die Galerie. »Hochqualifizierte, hart
arbeitende Männer und Frauen, loyale Mitarbeiter, Männer und Frauen mit
Familien, mit Kindern, für die sie sorgen müssen, mit Hypotheken, die
sie abtragen müssen â¦Â« Hurlers Kichern steigerte sich zu
schallendem Gelächter, aber Lefèbre war jetzt richtig in Fahrt. »Denken
Sie denn gar nicht an diese Menschen?« donnerte er pathetisch.
»Ich
denke vor allem an die Menschen, deren Leben man aufs Spiel setzt«,
entgegnete Altenburg ruhig. »Sie wissen, was ich meine.«
»Ja, deren Leben man aufs Spiel gesetzt hat, als Sie die Verantwortung trugen â auf Ihre Anordnung hin. Wollen Sie diese Männer dort oben nicht retten?«
Altenburg
machte einen Schritt auf Lefèbre zu, doch Hurler faÃte ihn rasch beim
Arm. Er hatte diesen Blick seines Freundes schon einmal gesehen; ein
einziges Mal nur, aber das hatte ihm gereicht, und sosehr er sich auch
wünschte, zu sehen, wie Lefèbre eins auf die Nase bekam â dies war
weder der richtige Ort noch der richtige Moment dafür. Lefèbre indessen
schien sich gar nicht bewuÃt zu sein, in welcher Gefahr er schwebte.
»Denken Sie, Waldegg blufft?« setzte er seine Suada fort. »Fragen Sie
ihn doch.«
Und Altenburg hatte sich gefaÃt. »Das werde
ich.« Er machte auf dem Absatz kehrt und stapfte davon, gefolgt von den
beiden Hurlers. Lefèbre blickte ihnen nach. Er hörte, wie Johannes
seinen Vater fragte, warum er von der Liste gestrichen worden sei, und
wie Olaf Hurler ihm antwortete: »Ich kann es dir nicht sagen. Aber
vertrau mir.« Dann waren sie auÃer Sicht, und Lefèbre verbannte sie aus
seinen Gedanken. Es gab genügend Arbeit zu erledigen. Worauf es jetzt
ankam, war, daà die Spezialgeräte rechtzeitig auf die andere Seite der
Welt gelangten, um Palladio und damit das ganze EUREKA-Projekt zu
retten. Das zählte jetzt, und nicht das Seelenleben von zwei gekränkten
Egos. Altenburgs Schulbubengewissen und Johannes Hurlers verletzter
Stolz waren irrelevant.
5
Die
Idee, Mellish Hall zum englischen Hauptquartier des Raumfahrtprojekts
zu machen, stammte ursprünglich von Swann. Er hatte dort einmal mit
seiner Frau Ostern verbracht, als der Landsitz noch ein Hotel gewesen
war, und sich sofort verliebt in das wunderschöne Haus mit seinen
riesigen Kaminen, seinen Himmelbetten, seiner gediegenen Freundlichkeit
und seinem standesgemäÃen Gespenst aus Elisabethanischer Zeit. Als der
Eigentümer ihm von seinen Problemen erzählte, von den immensen
Unkosten, die der Unterhalt eines Hauses aus dem sechzehnten
Jahrhundert verschlänge, hatte Swann sofort geschaltet, E UREKA hatte
das Haus gepachtet, und jetzt beherbergten die dicken Mauern aus
Gloucestershire-Stein die allerneueste Technologie. Swann fand diesen
Kontrast reizvoll; die Vorstellung, daà sich hinter
Eichenwandtäfelungen aus dem sechzehnten Jahrhundert Computer und
Datenbänke des späten zwanzigsten Jahrhunderts verbargen, hatte etwas
Faszinierendes. Gelegentlich fragte er sich, was der Geist sich wohl
denken mochte, wenn er sich auf seinen nächtlichen Wanderungen mit
dieser Hochtechnologie konfrontiert sah.
Während
der letzten drei Tage aber hatte er an nichts anderes als an das
Problem gedacht. Er war erschöpft. Seit dem miÃglückten Start hatte er
kaum geschlafen. Seit seiner Ankunft in England hatten er, Hilary und
die Assistenten Stunde um Stunde damit verbracht, die
Kontrollaufzeichnungen von den Probeläufen und dem Start von Magellan I
wieder und wieder zu überprüfen. An Schlaf war da nicht zu denken,
nicht, solange die Männer da oben durchs All irrten und solange noch
die geringste Chance bestand, den Fehler zu entdecken. Swann hatte sich
mit Aufputschmitteln und Kaffee wach gehalten, aber der dauernde Mangel
an Schlaf begann jetzt allmählich Wirkung zu zeigen. Er starrte auf die
Bildschirmbatterie, auf die kleinen Fenster, hinter denen die Bänder
vor- und zurückspulten, und er muÃte an Schlangenzungen denken; noch
ein solcher Tag, und er würde anfangen, Halluzinationen zu bekommen.
Ein Zischen, und die Monitore zu seiner Linken erloschen abrupt.
»Ende von Band vierzehn«, verkündete Hilary.
Swann rieb sich heftig die Augen. »Wie viele sind's
Weitere Kostenlose Bücher