Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Gelfrid nicht lange Widerstand leistete und zur Seite sah.
»Ich sehe einen Mann, der Jahre genug zählt dafür. Altgediente haben Gastrecht in den Städten Thules und Borkenlands und du weißt, was darauf steht, es ihnen zu verwehren.« Auf Wenduul zeigend, ordnete er an: »Stellt ihn auf die Füße, aber vorsichtig.« Die Rüstungen klirrten in der Eile, mit der sich die Wachen mühten, dem Befehl nachzukommen. Fast wäre Wenduul wieder gefallen. Eine Rippe war gebrochen und in seinem Knie wütete der Schmerz. »Stützt ihn, ihr nutzlosen Hammel!«
Aus schmutzverklebten Augen versuchte Wenduuls Blick im Gesicht des Wachhabenden zu lesen. Zorn, Interesse und eine Spur Mitleid glaubte er zu erkennen. Eine kleine Spur. Immerhin. »Du hast in der großen Armee gedient?« Ein schier endloser Hustenanfall schüttelte Wenduul und trug nicht zur Erhellung bei. Keuchend nickte er Zustimmung. »In welchem Regiment und wer war Befehlshaber?«
Na, jetzt bin ich ja gespannt.
Schweig. Ich muss nachdenken.
Ist das der Moment der Freiheit?, trällerte Wagrim.
Und was tust du dann, hmm? Läufst als Baum von hier bis in die Elbmarken?
Ich tue, was immer ich will, alter Mann, sobald du hier tot im Staub liegst. Vielleicht gestatte ich meinen Brüdern und Schwestern, sich hier neu niederzulassen. Ein Wald anstelle dieses Steinhaufens, den deinesgleichen Stadt nennt, wäre eine hübsche Verbesserung.
Nichts von dem wird geschehen, Diener!
Rasch durchforstete der Magier die endlosen Gänge und Abteile seines langen Gedächtnisses. Natürlich hatte er nicht gedient, aber ebenso natürlich waren ihm die Namen jener Zeit, die heute schon für die meisten Geschichte waren, geläufig. »Everwinus«, krächzte er und hustete erneut, sah die Ungeduld des Torkommandanten und nahm sich zusammen. »Everwinus war Oberbefehlshaber des Landheeres.« »Das weiß jedes Kind, Mann!«, donnerte der Wachhabende sehr zur Freude der Torwache. Beruhigend wedelte Wenduul mit der Hand, schnaufte, und fuhr fort. »Erlemanus kommandierte die verstärkten Garderegimenter, ich selbst diente im 3. Pikenierregiment unter Fridebraht.« Interessiert kam der Feldwebel nun näher und blickte Wenduul forschend an. »Dann kanntest du gewiss auch den Hauptmann Frenzel. Ein tüchtiger Mann und wahrer Held, aber geschlagen mit seiner Familie. Wie haben sich seine beiden Taugenichtse von Söhnen denn entwickelt? Sie sollten heute in meinem Alter sein.«
Das war also nun die Frage, die entscheiden würde. Doch bis in die Ränge der Hauptleute reichte Wenduuls Kenntnis nicht. Es war die Zeit des großen, stehenden Heeres gewesen und eine Ausnahme in der Geschichte Thules. Üblicherweise pflegten die Höfe zu jener Zeit nur kleine Truppenstärken bei Waffen zu halten. Drohte eine Konfrontation, wies der König seine Fürsten, jene ihre Ritter und niederen Edelleute an, Truppen auszuheben, auszubilden und zu bewaffnen. Anders unter Kelebs Vater Thore. Vieles war von Thore neu geordnet worden und die Streitkräfte des Großkönigtums umfassten fast einhunderttausend Mann. Ein Hauptmann kam auf eine Hundertschaft und wie, beim Weltenwirker, sollte er tausend Hauptleute kennen? Der Verzweiflung nahe, raste Wenduul durch die Hallen seiner neunzigjährigen Erinnerungen. Die Beine sackten ihm weg und mehr hing er in den Armen der Wächter, als dass er noch stand.
Ein wenig Hilfe wäre jetzt willkommen. Erinnerst du nichts?, dachte er drängend.
Würde ich ja gerne, aber irgend so ein alter Griesgram hat mich dreißig Jahre lang in einen Eckschrank gesperrt, weißt du.
Dämlicher, sturer Stecken!
Er fühlte sein Bewusstsein schwinden und mit ihm würde sich auch sein Leben verabschieden. Schon sah er aus dem Augenwinkel den Feldwebel sich kopfschüttelnd zum Gehen wenden und Gelfrids Triumph, und gerade als er sich seinem Schicksal ergeben und das des Mädchens der Barmherzigkeit Araas´ anvertrauen wollte, blitzte ein Bild auf.
Er hatte den jetzigen Heerführer Kelebs im Kronrat getroffen und Hellenbrecht hatte seinen Sohn Mandrus dabei, um ihn dem König vorzustellen, denn er war im rechten Alter dafür. Sie sprachen über Familie, über Mütter, Väter und deren Wünsche und Hoffnungen. Und dabei war der Name Frenzel gefallen. Wenduul zählte eins und eins zusammen, setzte alles auf eine Karte und krächzte: »Ihr solltet aufpassen, wo Ihr derartiges von Euch gebt, Feldwebel.« Schon verlangsamte sich der Schritt des Wachhabenden. »Denn der eine ist der Heerführer
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