Mission Munroe 03 - Die Geisel
wollte sie ihr die Kette wie eine Kapuze überstülpen.
Munroe packte die umherbaumelnde Metallschlange. Drehte. Wickelte. Riss Neeva von den Füßen.
Während der Schock Neevas Reaktionsfähigkeit lähmte, riss Munroe noch einmal an der Kette, zog das Mädchen zu sich heran und rammte ihm den Ellbogen in die Magengrube. Neeva landete hart und flach auf der Matratze. Munroe stemmte ihr ein Knie auf den Oberkörper und legte ihr die Kette um den Hals, genau so, wie Neeva es mit ihr vorgehabt hatte: fest genug, um die Luftzufuhr abzuklemmen, aber nicht fest genug, um die Luftröhre zu beschädigen oder blaue Flecken zu hinterlassen.
Neeva wand sich und versuchte, dem Angriff zu entgehen, wollte den Druck der Kette mit den Händen mildern. Munroe kniete sich noch etwas kräftiger auf Neevas Magen, zwickte sie in die Nase und legte ihr dann die Hand über den Mund, während die andere Hand gleichzeitig die Kette straff hielt.
Neeva bekam Panik. Sie kratzte. Sie trat um sich. Sie bäumte sich auf. Erst als Munroe spürte, wie die Kräfte des Mädchens langsam erschlafften, ließ sie wieder los. Neeva rang um Atem und blieb völlig erschöpft liegen, bis sie wieder genügend Sauerstoff nachgetankt hatte. Dann, wie eine aufgeladene Batterie, legte sie wieder los, wollte Munroe die Augen auskratzen, riss ihr blutige Striemen in die Haut.
Neevas ungebremste Wildheit, ihr Kampf ums Überleben – leben, verletzen, verstümmeln, töten –, nur um morgen früh aufzuwachen und genau das Gleiche wieder zu tun, rief bei Munroe eine äußerst lebendige Erinnerung wach. Unter anderen Bedingungen hätte Munroe Stolz und Solidarität empfunden, hätte sich an die Seite dieser jungen Frau gestellt und mit ihr gemeinsam um die Freiheit gekämpft. Doch die Umstände hatten jede Solidarität zur leeren Phrase und Neeva, dieses wilde, ungezähmte Tier, zu einem Objekt gemacht, das unterworfen werden musste, um Logan freizubekommen.
Munroe rammte Neeva die Faust in den Magen, und als die junge Frau keuchend um Atem rang, drehte sie ihr den Arm auf den Rücken, so kräftig, dass sie ihr mit Sicherheit die Schulter ausgekugelt hätte, hätte Neeva nicht laut geschrien und sofort jede Gegenwehr eingestellt. Jetzt standen Tränen in ihren Augen, und Munroe sah darin ein Spiegelbild ihres jüngeren Ichs. Keine Tränen des Selbstmitleids oder des Schmerzes, sondern der Wut und der Frustration.
»Ich habe dich gewarnt«, sagte Munroe. Sie ließ die Kette los, aber nicht Neevas Arm. »Und wenn du nicht aufhörst, tue ich dir noch mehr weh.«
Neeva nickte. Und Munroe, die erneut ein Bild aus längst vergangenen Zeiten vor Augen hatte, verstand, was die Geste bedeutete. Es war weder Entgegenkommen noch Unterwerfung, sondern schlicht und einfach ein Zugeständnis an die unerträglichen körperlichen Schmerzen. Das Nicken sollte ihr lediglich etwas Zeit verschaffen. Der Kampf war noch nicht zu Ende.
Munroe setzte sich auf das Mädchen und rief nach Lumani. Er stand so schnell in der Tür, dass er ganz in der Nähe gewesen sein musste. Wahrscheinlich hatte er gelauscht und womöglich sogar zugesehen. »Dein Messer«, sagte Munroe, wieder auf Ungarisch, und als er zögerte, fügte sie ungelenk und mit fehlerhaftem Satzbau hinzu: »Ich weiß, dass du es dabeihast. Ich werde sie nicht verletzen.«
Er bückte sich, um das Messer aus der Scheide zu ziehen. Dann kam er näher. Als Neeva ihn sah und was er in der Hand hielt, fing sie wieder an, sich zu wehren.
Munroe erhöhte den Druck, und Neeva begann zu schreien. Munroe griff nach dem Messer.
Kaum lag das kalte Metall in ihrer Hand, verschwamm ihr alles vor den Augen, so stark war die vorfreudige Euphorie. Die Zelle wurde grau, und die Mordlust stieg in ihr auf, als Reaktion auf die Klinge und die Geschichte, die das Metall mit sich brachte, ein unerträglicher Drang, der kreischend danach verlangte, endlich freigelassen zu werden.
»Verschwinde«, sagte Munroe. Wenn er das nicht tat, würde sie nicht die Kraft haben, das zu Ende zu bringen, was hier getan werden musste. Stattdessen würde sie das Messer zuerst gegen ihn und dann gegen die Arbens einsetzen, um sich und dieses Mädchen zu retten. Und am Ende wäre Logan verloren.
Lumani rührte sich nicht von der Stelle. Munroe drehte sich zu ihm um. Noch immer stemmte sie Neeva das Knie auf die Brust, hielt mit der einen Hand das Messer und mit der anderen den Arm des Mädchens gepackt. Mit zusammengebissenen Zähnen stieß sie auf Englisch
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