Mission Munroe 03 - Die Geisel
hervor: »Verschwinde, sofort , sonst passiert was.«
Lumani öffnete tonlos die Lippen, und dann, ohne den Blickkontakt auch nur einen Moment lang abreißen zu lassen, wich er zurück, als sei er einem tollwütigen Hund begegnet. Er war noch nicht einmal ganz zur Tür hinaus, da wandte Munroe sich wieder Neeva zu. Sie steckte die Messerspitze in den Kragen ihres Hemdes und schlitzte den Stoff auf, zog die Klinge am Gummiband der Hose vorbei und weiter in Richtung Schoß. Dann schnippte sie den Stoff mit einer ruckartigen Bewegung beiseite, sodass Neeva mit nacktem Oberkörper unter ihr lag.
»Ich wäre jetzt bereit, dich loszulassen, damit du dich selbst anziehen kannst«, sagte Munroe. »Oder aber wir machen auf die harte Tour weiter.«
Neeva kämpfte sichtlich mit den Tränen. »Ich mache es selbst«, flüsterte sie mit rauer, heiserer Stimme – eine Nachwirkung des Kampfes und der Kette, die um ihren Hals gelegen hatte.
Munroe ließ sie los, langsam und sehr kontrolliert, erst den Arm, dann wickelte sie die Kette ab, dann nahm sie das Knie von Neevas Brust, und dann stand sie auf. Neeva blieb währenddessen vollkommen regungslos liegen, als hätte sie endlich begriffen, dass jede Bewegung diesen kleinen Fortschritt wieder zunichtemachen konnte, und dass sie, wenn sie jetzt nachgab, vielleicht später noch einmal eine Chance bekommen würde zu kämpfen.
Als Munroe auf den Beinen stand und hinter den Stuhl mit dem Kleid getreten war, sagte sie: »Ich will dir nicht wehtun.«
Neeva erwiderte nichts darauf, aber nachdem sie aufgestanden war, starrte sie Munroe für einen langen Augenblick trotzig an, um dann in einer dramatischen Geste – ganz die Schauspielerin – ihre zerschnittenen Kleider zu lösen und auf die Matratze fallen zu lassen. Nackt und ohne den Blickkontakt zu unterbrechen griff sie nach dem Kleid und schlüpfte hinein.
Nachdem sie sich angezogen hatte, machte sie einen Schritt von der Matratze, stand barfuß und hochmütig auf dem Betonfußboden und riss demonstrativ mit dem linken Fuß an der Kette, als wollte sie sagen: Und nun?
Munroe nahm das Paketband und die Decke vom Stuhl, packte ihn an der Lehne und zerrte ihn kreischend hinter sich her in den Flur. Sie hasste sich selbst, hasste den Puppenmacher, hasste diesen Mann mit dem kindlichen Gesicht und die Schläger und verfluchte die perverse Schattenseite der menschlichen Natur, die ihre eigene, niederträchtige Gier in den Deckmantel der Güte kleidete und gleichzeitig andere zu Sündenböcken machte.
Sie trat vor Lumani hin und warf ihm das Messer vor die Füße, bevor der Drang, es noch einmal zu benutzen, übermächtig werden konnte. Wenn es keinen Markt gäbe, keine Käufer und keine Männer, die bereit waren, für Sex zu bezahlen, dann gäbe es auch keinen Platz mehr für Organisationen, die vom menschlichen Elend profitierten, und Kriminelle wie den Puppenmacher, der Frauen raubte und sich dafür gut bezahlen ließ.
»Ich würde dich am liebsten umbringen«, sagte sie.
Er lächelte. Hob das Messer auf. »Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Ich brauche den Schlüssel.«
»Hast du sie beschädigt?«
»Ich bin ja nicht bescheuert«, erwiderte Munroe. »Bring mir auch die anderen Sachen, die sie anziehen soll, Schuhe oder so was, damit wir endlich losfahren können.«
Lumani wandte sich nicht um. Er musterte ihr Gesicht, blickte ihr in die Augen und verriet dabei mehr über sich selbst, als er sich vorstellen konnte. Dann gab er Arben Zwei auf Albanisch den entsprechenden Befehl. Der Mann ging die Treppe hinauf. Während das Echo seiner schweren Schritte durch das Kellergewölbe hallte, fuhr Lumani mit seiner schamlosen Musterung fort, so lange, bis der Mann wieder da war und ihm eine Schachtel in die Hand drückte.
Ohne das Blickduell aufzugeben, reichte Lumani Munroe die Schachtel und einen Schlüssel. Erst dann wandte sie die Augen ab, und das nur, weil sie musste. Während des gesamten Alphatierchen-Brustkorb-Trommel-Wettbewerbs hatte sie ihn gelesen, so wie er sie gelesen hatte. Jetzt wussten sie beide genau Bescheid, ohne dass ein einziges Wort gefallen war.
Kapitel 14
Irving, Texas
Samantha Walker kletterte über Bradfords Knie und Schultern die Mauer hinauf. Dann balancierte sie bäuchlings auf der Mauerkrone und schob sich langsam vorwärts, um einen besseren Blick zu bekommen. Sie war leichter und kleiner als er, darum war die Wahl auf sie gefallen. Er hörte ihr Flüstern in seinem Ohrhörer: Ausstattung.
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