Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mission Munroe 03 - Die Geisel

Mission Munroe 03 - Die Geisel

Titel: Mission Munroe 03 - Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
Vom Netzwerk:
Anweisung Lumanis endete.
    Munroe breitete das Kleid über den leeren Stuhl am Ende des Korridors, legte die Decke auf der Sitzfläche ab und betrat mit dem Paketband in der Hand Neevas Zelle, wo die tierischen Wutschreie mittlerweile verstummt waren. Neeva hatte sich an die Wand gedrückt, halb zusammengekauert, die Kette fest im Griff. Ihre blonden Ringellocken bildeten einen verstörenden, fast grotesken Gegensatz zu ihrer existenzbedrohlichen Situation.
    Munroe kam näher, und Neeva verlagerte ihren Schwerpunkt, packte die Kette noch etwas fester und verharrte auch dann noch in dieser Haltung, als Munroe in sicherer Entfernung stehen blieb. Sie ging in die Knie, damit sie mit Neeva auf Augenhöhe war. »Bitte, versuch nicht, dich zu wehren«, sagte sie. »Ich wäre sonst gezwungen, dir wehzutun, und das ist wirklich das Letzte, was ich will.«
    Neeva gab keine Antwort, senkte nicht den Blick, und Munroe spürte ein Kribbeln in der Magengegend. Die Regeln besagten: Keine Drogen, keine Prellungen, aber es gab zahlreiche Möglichkeiten, einem Menschen auch ohne sichtbare Spuren große Schmerzen zuzufügen. Das war eine Lektion, die sie am eigenen Leib gründlich erfahren hatte.
    »Wir müssen dich jetzt umziehen«, sagte Munroe. »Du kannst es auch selbst machen, wenn du willst. Ich lasse dich sogar alleine. Alles, was ich will, ist, dass du mir versprichst, dass du tust, was ich gesagt habe.«
    Schweigen.
    »Und?«
    Neeva starrte sie ausdruckslos an, hatte immer noch alle Muskeln gespannt, wie eine Raubkatze vor dem Sprung.
    Munroe nahm einen weiteren Anlauf. »Wenn du die Hände und Füße ruhig hältst und machst, was ich dir sage, dann bin ich auch nett zu dir. Aber wenn du mich angreifst, habe ich keine andere Wahl, als mich zu revanchieren. Das war die erste und letzte Warnung, hast du kapiert?« Sie wartete auf eine Reaktion, irgendeine Reaktion, und als Neeva sie weiterhin nur ungerührt anstarrte, fügte sie hinzu: »Bitte stell mich nicht auf die Probe.«
    Neeva atmete langsam und konzentriert ein und aus, nicht flach und hastig, wie es unter der Einwirkung von Adrenalin und Angst normal gewesen wäre. Munroe hatte bereits gesehen, welcher Kampfgeist in dieser jungen Frau steckte. Ganz egal, wie klein sie war, wie unterlegen sie zu sein schien, den menschlichen Überlebenswillen durfte man auf keinen Fall unterschätzen. Immer noch auf Knien und ohne den Blickkontakt zu unterbrechen rief Munroe nach Lumani, und zwar demonstrativ in der Sprache, die man ihr hier in diesem Keller aufgezwungen hatte. Sie wusste, dass Ungarisch genauso wenig seine Muttersprache war wie Englisch.
    Munroe zählte die Sekunden und wusste auch ohne sich umzudrehen, dass er hinter ihr stand. Sie streckte die Hand aus, damit er ihr das Kleid geben konnte.
    Das Gewicht des Kleiderbügels zog an ihren Fingerspitzen.
    Wiederum auf Ungarisch sagte sie: »Ich brauche den Stuhl.« Kurz und knapp. Sie hatte zwar die Wörter im Kopf und verstand, was sie bedeuteten, aber ihr fehlte jede Erfahrung im alltäglichen Umgang mit der Sprache.
    Sie drehte sich nicht um, als er den Metallstuhl unter lautem Scharren über den Betonboden zog. Zuckte nicht, als er ihr – die Lippen nur wenige Zentimeter entfernt – ins Ohr flüsterte: »Überspann den Bogen nicht. Ich bin nicht dein Laufbursche.«
    »Ich brauche noch ein paar Minuten mit ihr allein«, sagte sie und wartete, bis er draußen war. Dann legte sie das Kleid in einer langsamen, theatralischen Geste noch einmal über die Stuhllehne. In einem letzten Versuch, den unausweichlichen Kampf mit Neeva zu entschärfen, sagte sie: »Ich weiß, dass du meine Warnung verstanden hast.« Sie schob ihr den Stuhl so hin, dass sie das Kleid selbst erreichen konnte. »Nimm das Kleid. Wenn es dir lieber ist, drehe ich mich um, aber ich darf hier erst weggehen, wenn du dich umgezogen hast.«
    Nichts.
    »Noch dreißig Sekunden, dann zwinge ich dich«, sagte sie, aber Neeva machte immer noch keinerlei Anstalten.
    Munroe wurde langsam wütend. Sie wollte diesen Kampf nicht, und Neeva konnte ihn niemals gewinnen, aber er war notwendig, um Logan das Leben zu retten.
    »Die Zeit ist um«, sagte sie.
    Neeva blieb regungslos sitzen.
    Munroe legte das Paketband auf den Stuhl, trat auf Neeva zu, bis sie in Reichweite war, und streckte die Hand aus, um nach dem Handgelenk des Mädchens zu greifen. Sie wusste, was gleich passieren würde. Neeva schnellte auf und schwang die Kette auf Munroes Kopf zu. Es sah so aus, als

Weitere Kostenlose Bücher