Mission Munroe 03 - Die Geisel
ordnen und zu verstehen, ganz zu schweigen.
Walker ging es kaum besser. Die Zeit verging wie im Flug, und mit ihr schwand auch die Hoffnung.
Allem Anschein nach hatten die letzten Stunden nichts weiter gebracht, als dass sie zwei potenzielle Verstecke von der Liste streichen konnten. Jetzt war die nächste Möglichkeit an der Reihe. Von dem Speditions-Depot aus waren sie zu einer fünfunddreißig Minuten entfernt gelegenen Lagerhalle gefahren, nur um auch dort weder Logan noch irgendwelche Hinweise zu finden – nichts als ein dunkles, verlassenes Grundstück ohne Sicherheitsmaßnahmen, ohne Fahrzeuge und ohne Leben.
Jetzt, im sicheren Hafen des Empfangsbereichs von Capstone Consulting, ließ er die Tür zum hinteren Bereich aufsurren und zeigte auf Walker. »Da reingehen. Schlafen. Das ist ein Befehl«, sagte er. »Um elf treffen wir uns wieder.«
Walker wirkte enttäuscht, sagte aber nichts. Mit hängendem Kopf ging sie ihm nach und dann am Kommandoraum vorbei, um die Schutzwesten in den Schrank zu packen.
Als Bradford eintrat, drehte Jahan sich zu ihm um und schüttelte den Kopf.
»Ich muss jetzt unbedingt ein bisschen schlafen«, sagte Bradford. »Ich bin nur im äußersten Notfall zu sprechen. Für Sam gilt dasselbe. Warst du die ganze Nacht wach?«
»Nur bis zwei«, erwiderte Jahan. »Sag mir Bescheid, wenn du los willst. Ich bin so weit.«
»Gib mir vier Stunden.« Im Gehen fügte Bradford noch hinzu: »Ruf noch mal bei Robertson an, okay? Vielleicht gibt es ja neue Erkenntnisse, Fingerabdrücke oder andere Proben, die sie bei Logan genommen haben. Der Kerl ist mir was schuldig. Irgendwas muss er doch haben.« In der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. »Gibt es sonst irgendwas Neues?«
Jahan schüttelte erneut den Kopf.
»Hast du auch überprüft, ob alles funktioniert? Keine Störungen irgendwo?«
»Alles in Ordnung. Ich sage dir Bescheid, sobald was reinkommt. Versprochen.«
Bradford nickte und drehte sich wieder um. Die Wut kochte wie eine große Welle in ihm hoch, noch verstärkt durch den Schlafmangel, und dann machte sich auch das erste Mal seit dem Morgen von Munroes Entführung die Angst bemerkbar, die er bis jetzt so gründlich verdrängt hatte.
Zweiundsiebzig Stunden, und immer noch hatten sie nicht mehr zu bieten als ein paar vage Hoffnungen. Sie wussten nicht, ob Logan überhaupt noch am Leben war. Sie wussten nicht, ob Munroe tat, was der Puppenmacher und seine Männer von ihr verlangten. Und Neeva Eckridge? Er musste den Vertrag mit den Tisdales kündigen und ihnen gestehen, dass er die Spürnase, die sie für die Suche nach ihrer Tochter engagieren wollten, nicht erreichen konnte.
Bradford warf schon wieder einen prüfenden Blick auf sein Handy. Das war eine nervöse Reaktion auf die Frage, die er bereits Jahan gestellt hatte. Capstone Consulting war ein Unternehmen, das international operierte. Es unterhielt Firmen-Mailboxen auf sechs Kontinenten und in fast zwanzig Ländern, Mailboxen, die automatisch jede Nachricht aufzeichneten und dann digitalisiert an die Kommandozentrale weiterleiteten, gedacht als Sicherheit für Angestellte im Außeneinsatz, die in Schwierigkeiten geraten waren und keine Möglichkeit hatten, sich direkt bei der Zentrale zu melden.
Bradford rollte seinen Schlafsack unter dem Schreibtisch aus.
Munroe würde sich melden. Wenn sie am Leben war, wenn sie Hilfe brauchte, wenn sie irgendwie an ein Telefon kommen konnte, dann würde sie sich melden. Noch während dieser Gedanke durch seinen müden Geist kreiste, ergriff die Dunkelheit des Schlafs von ihm Besitz.
Jahan weckte ihn auf, und es kam ihm so vor, als sei er erst vor zwei Minuten eingeschlafen. Seine Augenlider wurden allem Anschein nach von Enterhaken und schweren Sandsäcken am Aufklappen gehindert. Schließlich zog er sie eigenhändig nach oben und blinzelte, um das Brennen etwas zu mildern. Zu viele Stunden wach gewesen, zu wenig geschlafen, und er war verflucht noch mal zu alt, um Belastungen zu ertragen, die schon vor zehn Jahren hart an der Grenze des Erträglichen gewesen waren.
Jahan saß ungefähr einen Meter von ihm entfernt in der Hocke und streckte ihm einen Becher Kaffee entgegen.
»Die vier Stunden sind um«, sagte er.
Bradford stöhnte.
»Soll ich in zehn Minuten noch mal reinschauen?«
Bradford griff mit halb geschlossenen Augen nach seinem Handy und blickte auf das Display, hoffte, obwohl es nichts zu hoffen gab. Schon wieder war ein Sechstel des Tages vergangen
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