Mission Munroe. Die Sekte
kannst.« Sie hielt Munroe die Tür auf.
Eigentlich hätte sie sich jetzt freuen müssen. Soeben war ihr die perfekte Gelegenheit zu einer gründlichen Erkundung des Hauses in den Schoß gefallen, ohne zu fragen, ohne sich einen Vorwand ausdenken zu müssen. Aber im Moment drehte sich Munroes gesamtes Fühlen und Denken nur um Hannah, und dass sie sie nun alleine lassen sollte,
machte sie noch nervöser, auch wenn es absolut sinnvoll und notwendig war. Zögerlich und angespannt griff sie nach ihrer Handtasche und überließ das Aufräumen den drei Jugendlichen.
Munroe und Morningstar gingen zum Wagen. Im Dämmerlicht des Abendhimmels standen sie neben den beiden Limousinen, und Munroe holte ihre Reisetasche vom Rücksitz des Peugeot. Morningstar beobachtete sie mit verstohlener Neugier, und Munroe stutzte. So wie Morningstar das Auto und die Tasche anschaute, war sie keine Wächterin, sondern viel eher eine Fragende, als würde sie das Auto zum ersten Mal wirklich registrieren, als würde sie Munroe zum ersten Mal als dessen Besitzerin wahrnehmen und eine Verbindung zu dem vorangegangenen Gespräch über die Bedeutung persönlicher Entbehrungen ziehen.
Munroe stellte den kleinen Koffer auf den Boden und zog die Teleskopstange aus. Morningstar sah mit großen Augen zu. Der Koffer war nicht besonders groß, hatte aber wahrscheinlich mehr gekostet, als Morningstar in einem kompletten Monat an Spenden für die Oase sammelte.
»Gefällt er dir?«, fragte Munroe.
Morningstar lief knallrot an, wie ein auf frischer Tat ertappter Voyeur. »Er ist sehr schön«, sagte sie.
»Du kannst ihn haben.«
Morningstar hielt kurz inne. »Ehrlich?«
Munroe reichte ihr den Griff. »Jetzt sofort, wenn du möchtest«, sagte sie. »Ich kann meine Sachen auch später auspacken.«
Nach einem kurzen Zögern ließ Morningstar ein strahlendes Lächeln sehen, das hundertprozentig nach Heidi aussah, und nahm den Griff in die Hand.
Noch nie war Bestechung so leicht gewesen.
Das obere Stockwerk des Haupthauses war in vier Abteilungen unterteilt. In der ersten wohnten die männlichen Jugendlichen und jüngere, alleinstehende Männer, in der zweiten die Teenager-Mädchen und die alleinstehenden Frauen. Das dritte Viertel beherbergte eine gemischtgeschlechtliche Gruppe von jüngeren Kindern, während das vierte, wie Morningstar erzählte, in mehrere kleinere Zimmer für verschiedene Paare unterteilt war.
Im gesamten ersten Stock gab es nur zwei Badezimmer, die, wie die Toiletten im Anbau, so umgebaut worden waren, dass sich dort möglichst viele Personen gleichzeitig aufhalten konnten.
Das sogenannte Mädchenzimmer ähnelte den Schlafzimmern im Anbau. Es war voll mit selbst gezimmerten, schmalen Dreifachstockbetten, zwischen denen nur sehr wenig Platz war. Unter den untersten Betten wurden Koffer aufbewahrt, und an einer Wand befanden sich mehrere Einbauschränke, die zusätzlichen Stauraum boten. Die Betten waren ordentlich gemacht, mit passenden, selbst genähten Bezügen. Nirgendwo lagen irgendwelche persönlichen Gegenstände herum. Davon abgesehen gab es nur noch ein einziges Möbelstück im Zimmer: ein hohes, schmales Regal mit Vorhang. Es stand zwischen zwei Stockbetten.
Erst hier in diesem Zimmer, wo Platz etwas außergewöhnlich Kostbares war, erkannte Munroe die Bedeutung des kleinen Koffers, den sie Morningstar geschenkt hatte. Falls die Anzahl der Betten etwas zu besagen hatte, wurde dieses ungeheizte, ungefähr sechs mal acht Meter große Zimmer von fünfzehn Mädchen bewohnt.
Morningstar deutete auf eines der obersten Betten. »Das da oben ist gerade nicht belegt«, sagte sie. »Crystal ist verreist.
Falls dir das Hoch-und Runterklettern zu beschwerlich ist, können wir auch tauschen.«
Munroe begutachtete das Bett und rüttelte ein wenig daran. Es machte einen stabilen Eindruck. »Ich probiers erst mal«, sagte sie. Nicht, weil sie dort tatsächlich schlafen wollte, sondern weil direkt daneben das Regal stand und es keinen besseren Platz im Zimmer gab, um eine versteckte Kamera anzubringen.
Munroe benutzte die Bretter am Fußende der Betten als Leiter und kletterte langsam und sehr viel ungeschickter, als sie gekonnt hätte, nach oben. Dann saß sie auf ihrem Bett, den Kopf leicht nach vorne gebeugt, um nicht an die Decke zu stoßen, grinste und sagte: »Und wo schläfst du?«
Morningstar deutete auf ein Mittelbett an der hinteren Wand.
»Und Sarai?«
Das unterste Bett unter Munroe.
»Faith?«
Morningstar deutete
Weitere Kostenlose Bücher