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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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mit dem Kopf auf ein Mittelbett nebenan.
    Dieser ganze Aufwand nur um diese eine Information zu bekommen … um zu erfahren, wo Hannah die Nacht verbringen würde. Aber das waren die Spielregeln in der Welt der Informationsbeschaffung. Und es war gut gelaufen. Sie hatte auf einen Streich den genauen Standort ihrer Zielperson, einen Grundriss des ersten Stockwerks und freien Zutritt erhalten. Als Gegenleistung für einen kleinen Koffer.
    Die größte Schwierigkeit würde darin bestehen, aus diesem Bett zu klettern, ohne die anderen aufzuwecken. Munroe wackelte ein bisschen hin und her, weil sie sehen wollte, wie sehr das Bett ins Schwanken geriet, und erntete ein Lächeln von Morningstar.
    »Daran könnte ich mich gewöhnen«, sagte sie.
    Morningstars Lächeln hielt an. »Ich muss schnell noch was erledigen«, sagte sie dann und zeigte auf das Regal mit dem Vorhang. »Wenn du irgendwas von deinen Sachen brauchst, kannst du Crystals Regal benutzen. Richte dich doch einfach schon mal ein. Ich bin in fünf Minuten wieder da, dann können wir zusammen zum Essen gehen.«
    Munroe nickte. Sie war erstaunt darüber, wie bedenkenlos die ERWÄHLTEN sie in ihren privaten Räumen allein ließen. Schließlich wussten sie so gut wie nichts über sie. Sie hätte genauso gut eine Kriminelle sein können. Mit ihren Kindern ließen sie sie problemlos allein, aber nicht mit der Lektüre ihrer Unterweisungen. Wer das Denken der ERWÄHLTEN verstanden hatte, für den war diese völlige Verdrehung der Prioritäten keine Überraschung mehr.
    Morningstar verließ das Zimmer, und Munroe befestigte eine Kamera auf dem Regal. Sie war gerade damit fertig, als das Mädchen zurückkam.
     
    Das Essen lief genauso ab wie am Abend zuvor. Hundertfünfzig Stimmen, die gleichzeitig zahlreiche Gespräche führten. Singen. Beten. Dann wieder vielstimmiger Lärm. Und wieder saß Munroe bei Elijahs Familie. Allerdings war heute Abend auch Hannah dabei. Magdalene, ihre Adoptivmutter, saß mit den drei jüngeren Kindern an einem anderen Tisch.
    Hannahs Gegenwart machte Munroe nachdenklich. Sie spielte alle erdenklichen Szenarien und Vorsichtsmaßnahmen durch und versuchte sich zu versichern, dass das keine Falle war, dass sie tatsächlich nicht ahnten, weshalb sie in Wirklichkeit hier war, dass sie nicht besser Theater spielen
konnten als sie selbst, dass es sich nur um einen Zufall handeln konnte.
    Elijah kam etwas später an den Tisch. Er ließ sich auf die gegenüberliegende Bank gleiten, quetschte sich neben Hannah und legte den Arm um sie. Dann sagte er zu Munroe: »Wie ich sehe, hast du meine Adoptivtochter bereits kennengelernt.«
    »Ja, aber die Verwandtschaftsverhältnisse sind mir immer noch nicht so richtig klar«, erwiderte Munroe.
    »Ihr Vater dient in einer anderen Oase dem Herrn«, sagte er. »Deshalb verbringt Faith jede Woche ein paar Nächte bei uns.«
    Sein Arm lag sehr viel länger um Hannahs Schulter, als es Munroe angemessen erschien, dennoch hätte sie das vermutlich einfach als eine Besonderheit der ERWÄHLTEN abgetan, wäre da nicht dieses schmerzhafte Unbehagen auf Hannahs Gesicht gewesen.
    Es war das zweite Mal am heutigen Tag, dass Munroe diesen Gesichtsausdruck sah. Hannah war ein Kind, das mit solch engem Körperkontakt aufgewachsen war, das sich gegen Berührungen durch andere Personen nie gesträubt hatte, und trotzdem wirkte sie jetzt eindeutig verängstigt und wollte nichts mit ihm zu tun haben. Munroes Blick wanderte von Elijah zu Hannah und anschließend zu Morningstar, die Hannah direkt gegenübersaß. Das Mädchen, das so voller Stolz verkündet hatte, dass keine ihrer Freundinnen misshandelt worden war, war blind gegenüber dem, was sich in ihrer Familie abspielte, blind gegenüber den Taten ihres eigenen Vaters.
    Das fast schon erloschene Feuer, das heute schon einmal in ihr gelodert hatte, flammte erneut auf. Übelkeit ergriff von ihr Besitz, und sie kniff unter dem Ansturm der
Wut die Augen zusammen. Ihr Verstand analysierte das Geschehen in rasendem Tempo. Munroe hatte keine Zweifel, dass Hannah hier in dieser Oase missbraucht wurde. Aber von Elijah?
    Munroe war nicht unfehlbar. Sie konnte Körpersprache lesen, aber ein Irrtum war nicht auszuschließen. Und eine Vermutung war nicht genug. Nicht, wenn es um so etwas ging.
    Sie saß auf ihrem Platz. Atmete ruhig. Kontrolliert. Das Tischgespräch drang nicht mehr zu ihr durch. Die Zeit verging langsamer. Sie sah den anderen bei ihrer Unterhaltung zu. Studierte sie.

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