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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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den Kopf. »Sie lebt in der LEERE , sie gehört zu den Feinden Gottes. Wir sind nicht unter demselben Joch wie die Ungläubigen.«
    Munroe kannte die Bibel und wusste, was dieser Satz bedeutete. Mit einem Mal taten sich eine Million Möglichkeiten auf, um das Gespräch fortzusetzen. Sie entschied sich für den unnatürlichsten Weg, der jedoch der Denkweise der ERWÄHLTEN am ehesten entsprach. »Dann ist es also nur zum Besten«, sagte sie. Und fügte nach einer bedeutungsschwangeren Pause hinzu: »Habt ihr denn alle ungläubige Familienangehörige außerhalb der ERWÄHLTEN ?«
    »Nicht alle«, sagte Hannah. »Aber Morningstar.«
    Munroe rechnete fest mit einem zweiten tadelnden Blick der Neunzehnjährigen, doch stattdessen seufzte sie nur und fing an, Zwiebeln klein zu hacken. Rund um die Arbeitsfläche fingen die Augen an zu tränen. »Ich habe zwei Schwestern draußen in der LEERE «, sagte sie.
    »Ältere Schwestern?«
    Morningstar nickte. »Aber ich habe keinen Kontakt mit ihnen, nicht nur, weil sie Ungläubige sind, sondern auch, weil sie lügen.«
    »Inwiefern?«
    »Sie behaupten, dass in unserer Kirche Dinge geschehen, die nie geschehen sind«, sagte sie. »Und sie behaupten, dass wir an manche Dinge glauben, an die wir gar nicht glauben, und umgekehrt. Solche Sachen.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    Normalerweise vermied Munroe jede direkte Nachfrage, aber in diesem Fall war das Risiko gering. Hez und der Junge hörten nicht zu, und den Mädchen fiel es nicht auf.
    »Sie sagen, dass die ERWÄHLTEN Kinder misshandeln, dass wir keine Schulbildung bekommen und dass Erwachsene Sex mit Kindern haben«, erwiderte Morningstar. »Aber man braucht nur mich anzuschauen, dann sieht
man doch, dass mich nie jemand misshandelt hat. Ich bin mir absolut sicher, dass dieses Leben die beste Ausbildung ist, die man als Teenager bekommen kann, und noch nie hat ein Erwachsener mit mir Sex gehabt.«
    Hannahs Blick zuckte zur Seite, blitzschnell und kaum wahrnehmbar, wie bei einem Schuldigen auf der Anklagebank, wenn das Unterbewusstsein eine Lüge registriert, bevor das Bewusstsein sich einschalten kann. Es war nur ein Sekundenbruchteil, aber mehr brauchte Munroe nicht, um eine Schlussfolgerung zu ziehen. Ihr Magen ballte sich zusammen, und ihr Puls jagte los. Sofort. In einem rasenden Tempo von null auf hundert, von Ruhe zu Sturm.
    Sie schob das Messer mit der Spitze voran unter das Schneidbrett. Nicht weil es irgendjemand gesagt hatte, sondern weil das der schnellste Weg war, um ein Blutbad zu vermeiden.

Kapitel 27
    Munroes Herz hämmerte. Ihre Gedanken rasten. Sie war unablässig damit beschäftigt, ihre äußere Gelassenheit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das Gehörte zu verarbeiten, während sie mit halbem Ohr Morningstars Erklärungen zuhörte. In der anschließenden Stille dann, ohne an die möglichen Folgen zu denken, sagte sie: »Es ist doch möglich, dass deine Schwestern so etwas erlebt haben und du nicht.«
    Morningstar, die ganz im Augenblick gefangen war und weder Munroes Reaktion noch die darin liegende, unterschwellige Herausforderung registrierte, machte weiter. »Ich habe Hunderte Freunde und Freundinnen«, sagte sie und sah in diesem Moment aus wie eine jüngere, strengere Heidi. »Und keiner von denen hat je so etwas erlebt. Ich kann hundertprozentig garantieren, dass von uns hier niemand misshandelt wird. Es ist doch gar nicht möglich, so eng zusammenzuleben, ohne dass man mitbekommt, was los ist. Von all diesen Leuten hätte doch mit Sicherheit irgendwann einmal jemand etwas gesagt.« Sie unterbrach sich, überlegte. »Es tut mir leid«, sagte sie dann. »Ich kann solche Geschichten schlicht und einfach nicht akzeptieren.«
    Munroe nickte. Sie wusste, wie so etwas funktionierte, im Vorfeld hatte sie alles darüber gelesen. Diese Antwort passte exakt in das Denkschema der ERWÄHLTEN .
Jede andere Realität als die offizielle Wahrheit wurde automatisch abgelehnt. Der Begriff »Misshandlung« ließ sich deshalb so leicht verneinen, weil er für die Kinder der ERWÄHLTEN etwas anderes bedeutete als für die draußen in der LEERE . Gleiches Wort, andere Sprache. Munroe wurde schwindelig.
    Selbstverständlich konnten solche Dinge geschehen, ohne dass alle es mitbekamen und obwohl man so eng beieinanderwohnte. Der Beweis stand doch direkt vor ihnen, jung und blond und unschuldig, den Blick auf eine Zucchini gerichtet und ohne ein Wort der Richtigstellung an ihre ältere Schwester im Herrn. Für jeden, dem

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