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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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allein, obwohl sie das jetzt dringend nötig gehabt hätte.
    Sie musste unbedingt schlafen. Sie hatte Bradford versprochen, dass sie es ohne Medikamente zumindest versuchen würde, aber das war natürlich vollkommen ausgeschlossen, solange sie sich mit einem anderen Menschen ein Zimmer teilen musste.
    Gideon hatte ihnen einige wenige Stunden gestattet, um sich frisch zu machen, ein wenig auszuruhen und sich einzurichten. Am späten Nachmittag wollten sie dann wieder zusammenkommen. Munroe legte sich aufs Bett, kämpfte gegen den unbändigen Drang zu schlafen an und wartete, bis Heidis Atem ruhig und gleichmäßig ging. Dann stand sie leise auf und schlüpfte zur Tür hinaus.
    Sie hatte den langen Flur, der zum Ausgang führte, bereits halb hinter sich, als sie die erwarteten Schritte im Rücken vernahm. Wie berechenbar er doch war. Zufrieden und ohne sich umzudrehen, ging sie weiter.
    Hinter ihr flüsterte Logan, so laut, dass es fast schon ein Zischen war: »Michael, bitte, warte auf mich.«
    Sie verlangsamte ihre Schritte, er holte sie ein und trat neben ihr auf die schmale Straße vor der Unterkunft. Logan sagte kein Wort, aber er ging so dicht neben ihr her, dass Munroe ihn am liebsten weggeschubst hätte.
    Es war kurz vor zwei Uhr nachmittags, die Tageszeit, wo die Stadt sich zum Mittagessen begab. Sie suchte nach einem Café, nach irgendeinem belebten Lokal in der Nähe, wo viele Leute saßen und sich unterhielten, wo sie zuhören und die Sprache in sich aufnehmen konnte. Sie wollte in die örtlichen Dialekte eintauchen, musste Tonfall, Sprachmelodie,
Akzent und den Lunfardo kennenlernen, den speziellen Slang der Porteños , der »Hafensiedler«, wie die Bewohner von Buenos Aires auch genannt wurden.
    Fünf Minuten vom Hotel entfernt, an einer belebten Kreuzung in einer Fußgängerzone, entdeckte Munroe das, was sie gesucht hatte. Das Café war gut gefüllt, sodass viele Gespräche gleichzeitig in Gang waren, aber immer noch klein genug, um lauschen zu können.
    Sie hatte eine dampfende Tasse vor sich stehen und tauchte tief in die Atmosphäre ein. Sprache spülte in Wogen über sie hinweg, durch sie hindurch, und sie nahm blitzlichtartige Eindrücke der lokalen Kultur in sich auf. Es war das gleiche unerklärbare Aufsaugen und Verstehen von Sprache, das sie schon seit ihrer Kindheit begleitete. Eine vergiftete Gabe, so schöpferisch wie zerstörerisch zugleich, eine Fähigkeit, die es ihr ermöglichte, sich überall einzufügen und allen alles zu werden.
    Die Unterhaltung mit Logan schleppte sich zäh und von zahlreichen Pausen unterbrochen dahin, bis das Café sich immer mehr leerte und sie sich ganz ihm zuwandte. »Heidi meinte, dass der Ordner mit den Unterlagen unvollständig ist.«
    Logan blieb zunächst stumm, dann stieß er ein Schnauben aus – eine typische Übersprungshandlung, die signalisierte, wie unangenehm ihm das Thema war. »Ich habe noch mehr Material dabei«, sagte er. »Das kann ich dir geben, wenn wir wieder im Hotel sind.«
    »Wieso hast du das bisher zurückgehalten?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte eben, dass du das andere zuerst liest.«
    Munroe schwieg. Wut packte sie. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, waren ausweichende Antworten
und Halbwahrheiten von dem einen Menschen, auf den sie sich absolut verlassen können musste. Sie beugte sich nach vorn und morste ihre Gedanken mit dem Finger auf die Tischplatte. Dann sagte sie: »Gibt es vielleicht sonst noch etwas, was du mir bisher verschwiegen hast?«
    Er schüttelte den Kopf, ein langsames Gar nichts , und sah ihr dabei ununterbrochen in die Augen.
    »Anscheinend hast du vergessen, wer ich bin«, sagte sie mit leiser, monotoner Stimme. »Anscheinend hast du vergessen, was mein Beruf ist, anscheinend glaubst du, dass ich taub und blind geworden bin.«
    Sie ließ sich mit verschränkten Armen an die Stuhllehne sinken und musterte ihn aufmerksam, nicht verärgert oder hämisch, sondern mit neutralem, analytischem Blick. »Ich habe diesen Auftrag nur deinetwegen angenommen«, sagte sie, »nur aufgrund unserer langjährigen Freundschaft, Logan. Einer Freundschaft, die auf Ehrlichkeit und Vertrauen basiert.« Sie unterbrach sich, ließ ihre Worte wirken, dann fuhr sie fort: »Ohne Ehrlichkeit kein Vertrauen, und ohne Vertrauen keine Freundschaft. Du verbirgst etwas vor mir, und wenn du mir nicht jetzt auf der Stelle sagst, was es ist, dann stehe ich auf und verschwinde. Und du weißt genauso gut wie ich, dass du mich

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