Mission Munroe. Die Sekte
anderen Sinnen leiten lassen.
Ein Scharren. Ein Luftzug. Er sprang sie an.
Sie trat einen Schritt zur Seite, und seine Klinge verfehlte sie deutlich. Sie zog ein zweites Messer aus ihrem Hosenbund am Rücken. Ließ es aufschnappen.
Sie folgte seinem Keuchen, in jeder Hand ein Messer, umkreiste ihn aufmerksam. Sie spürte, wie die Gier nach Blut in ihrem Inneren emporquoll, ein Stampfen im Kopf, in der Brust, ein übermächtiges Verlangen zu töten.
Und sie kämpfte dagegen an.
Sie wollte kein Killer sein, kein Tier, kein Ungeheuer. Gerade davor war sie geflohen.
»Das muss doch nicht sein«, sagte sie in die Nacht. »Steck deine Waffe weg, dann stecke ich meine auch weg, und wir sehen uns nie wieder.«
Der Angreifer überschüttete sie jedoch mit einem Schwall Obszönitäten, und ihr wurde klar, dass er ihren Körper wollte, tot oder lebendig. Während er nicht aufhörte, sie zu verhöhnen und zu beleidigen, bemächtigte sich die Dunkelheit ihrer. Sie roch seinen widerlichen Schweiß, hörte die Verachtung in seiner Stimme, erkannte die Angst vor dem Messer. Ihr Herz raste, Muskeln spannten sich, und der Instinkt nahm von ihr Besitz.
Überleben.
Töten.
Licht spiegelte sich auf einer Klinge.
Sie sprang zur Seite.
Instinkt.
Schnelligkeit.
Sie drehte sich um. Kam von unten. Stieß das Messer nach oben, traf ihn unter dem Kinn und stieß es tief hinein. Sie wurde von Euphorie gepackt.
Der Angreifer sank auf die Knie, die Augen weit aufgerissen.
Grüne Augen.
Ihr Magen ballte sich zusammen.
Sein Gesicht. Weich. Vertraut. Die Erkenntnis kam wie ein Schock.
Sie rang nach Luft. Sackte nach vorne, und dann, den Mund zum Himmel gerichtet, brüllend vor Schmerz und Wut, schlug sie die Augen auf.
Und blickte nicht in den mitternächtlichen Himmel, sondern an die kahle, weißlich gelbe Decke ihres Hotelzimmers.
Mit wild pochendem Herzen schob Munroe die Beine über die Bettkante und stand auf, besah sich die Nachwirkungen ihres Schlafs. Die Laken und ihre Kleidung waren durchgeschwitzt, das Kissen zerfetzt. Sie rieb sich die Finger, spürte die empfindlichen, durch die Reibung aufgerauten Stellen. Dafür hatte sie also den vergangenen achtundvierzig Stunden drei Stunden Schlaf abgerungen. Je weniger Erholung sie bekam, desto schwieriger würde ihr Vorhaben werden, das war ihr klar. Aber jetzt war sie so aufgewühlt, dass an den so dringend benötigten Schlaf nicht einmal zu denken war.
Munroe schlurfte zu ihrer Reisetasche, zog eine Flasche hervor und kippte sich den Inhalt in die Kehle.
Es war kurz vor neun Uhr. In dem Café, das Logan gestern mit Munroe besucht hatte, herrschte reger morgendlicher Betrieb. Er saß im hinteren Ende des Raumes, mit dem Rücken zur Wand, und lauschte einer Sprache, die er nur halb verstand, beobachtete die lebhafte Menschenmenge im Café und die Passanten draußen auf der Straße. Ihm gegenüber saß Gideon, benommen und mit schläfrigem Blick. Kaffeeduft vermischte sich mit dem süßen Aroma der Gebäckteilchen, die vor ihnen auf dem Tisch standen.
Sie sprachen nur wenig, und auch das wenige war belanglos. Sie waren müde, weil sie in der Nacht viel zu viel Zeit damit verbracht hatten, Pläne zu schmieden, sie über den Haufen zu werfen und dann wieder aufzuwärmen. Wären sie nicht mit Munroe und Heidi zum Frühstück hier verabredet gewesen, Logan hätte sich liebend gerne noch ein, zwei Stunden lang unter die Decke verkrochen.
Erneut warf er einen Blick auf seine Armbanduhr und nippte an seinem Kaffee. Die Frauen waren bereits zehn Minuten zu spät. Heidi kannte er nicht gut genug, um zu wissen, wie viel Verspätung bei ihr üblich war, aber er kannte Munroe. Sie handelte eigenständig und ließ sich von niemandem Vorschriften machen, aber wenn sie sich zu einer bestimmten Zeit irgendwo verabredete, war sie eigentlich immer pünktlich.
Logan nahm einen weiteren Schluck Kaffee und warf abermals einen Blick auf seine Armbanduhr, was Gideon ein leises Kichern entlockte. Logan beachtete ihn nicht, schaute zum Fenster hinaus und sah Heidi draußen vorbeigehen. Sie betrat das Café, ließ den Blick suchend durch
den Raum schweifen und kam, nachdem sie Logan entdeckt hatte, zu ihnen an den Tisch.
»Wo ist Michael?«, fragte Logan.
Heidi wandte ein wenig verschämt den Blick zur Seite. »Ich dachte, sie ist bei euch«, erwiderte sie. Und als Reaktion auf Logans verblüfftes Gesicht fügte sie hinzu: »Ich habe verschlafen … hab den Wecker nicht gehört … ich hab
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