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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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sich anschließend auf die Suche nach einem Salon, der bereits geöffnet hatte. Wie bei jedem Auftrag hatte sie auch hier eine
Rolle zu spielen, und wie bei jeder Rolle war auch hier die Illusion das Entscheidende. Das menschliche Unterbewusstsein suchte automatisch nach dem Vertrauten, deshalb war jedes Detail wichtig. Wenn nur die kleinste Kleinigkeit nicht stimmte, setzte sie damit ihre gesamte Rolle aufs Spiel.
    Um vollkommen in eine Umgebung einzutauchen, um mit ihr zu verschmelzen, reichte es nicht, nur die Sprache zu beherrschen oder Verhaltensweisen, Gang und Kleidungsstil zu imitieren. Verschmelzung bedeutete vollständige Assimilation, und das bedeutete, dass alles – von der Frisur bis zu den Schuhen, selbst wenn sie importiert waren – vor Ort erworben werden musste.
    Mit einer neuen, geschlechtsneutralen Kurzhaarfrisur versehen, nahm Munroe ein Taxi zum Paseo Alcorta, einem der besseren Einkaufszentren der Stadt. Dank ihrer Erfahrung arbeitete sie sich schnell und effektiv durch verschiedene Geschäfte und Boutiquen. Kleidungsstile, Farben, Größen und Stoffe, das alles war von Land zu Land verschieden, aber das Prinzip war überall dasselbe. Koffer, Kleider, Schuhe, Rucksäcke, Jacken. Mehrere Garnituren, möglichst geschlechtsneutral. Sie bezahlte alles aus eigener Tasche.
    Das Geld, das Logan und die anderen Sekten-Aussteiger ihr bezahlt hatten, war zwar nach deren Maßstäben eine gewaltige Summe, reichte aber nicht einmal ansatzweise aus, um die für einen solchen Auftrag nötigen Ausgaben zu decken. Aber sie würden nie erfahren, dass Munroe zu diesem Projekt mehr beisteuerte als sie alle zusammen.
    Nach dem Einkaufen lud sie die Beute des heutigen Tages kurz in ihrem Hotelzimmer ab, dann fuhr sie mit dem Taxi zum Flughafen. Sie ließ den Fahrer warten, während
sie im Ankunftsbereich nach Miles Bradford Ausschau hielt, der mittlerweile die Zollformalitäten hinter sich gebracht haben musste.
    Sie entdeckte ihn weit hinten, ein Bein an die Wand gestützt, mit überkreuzten Armen, als hätte er alle Zeit, die Welt zu entdecken, aber nicht die Absicht, es zu tun. Neben ihm stand ein Gepäckwagen mit zwei übergroßen Kisten, einem viel zu großen Handgepäckkoffer sowie einer Computertasche. Sein desinteressierter Blick verriet ihr, wie konzentriert er jede Einzelheit beobachtete.
    Er begegnete ihrem Blick und strahlte über das ganze Gesicht. Zur Begrüßung umarmte er sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
    »Geht’s dir gut?«
    Diese Frage, so einfach und klar und gleichzeitig so ernsthaft und tiefgründig, berührte so viele verschiedene Aspekte, dass Munroe einfach nur nickte und sein Lächeln erwiderte.
    »Wie war der Flug?«, fragte sie. »Bist du müde?«
    »Ich habe geschlafen. Von mir aus kann’s sofort losgehen.«
    »Hast du meine Liste bekommen?«
    »Alles, was ich nicht mitgebracht habe, kann ich hier besorgen«, sagte er. »Ich habe Beziehungen, und es gibt hier einige Leute, die mir was schuldig sind. Ich habe jedenfalls schon angefangen, ein paar Strippen zu ziehen.«
    Munroe nickte. Auf dem Weg zu dem wartenden Taxi hängte sie sich bei ihm ein. Es war zwar eigenartig, Bradford direkt vor Ort zu haben, aber gut zu wissen, dass er ihr den Rücken freihielt.
    Im Taxi berichtete er ihr von Logans Anruf, und sie erzählte ihm alles, was sie über die Oasen in Erfahrung gebracht
hatte. Die Frage, ob sie geschlafen hatte oder nicht, blieb unausgesprochen in der Luft hängen.
    Bradford zog einen Briefumschlag aus seiner Computertasche und gab ihn ihr. »Das ist das, was ich über New York herausgefunden habe«, sagte er. »Es ist nicht viel, aber ich halte die Ohren weiterhin offen.«
    Munroe starrte geradeaus, den Blick fest auf die Straße geheftet. Der Umschlag lag unberührt in ihrem Schoß.
    Bradford legte seine Hand auf ihre, behutsam, sanft. »Michael, du hast in Notwehr gehandelt. Du hast das einzig Richtige getan. Mach dir keine Gedanken darüber.«
    Aber das war ein Gespräch, das zu einem anderen Zeitpunkt geführt werden musste. Munroe ließ den Kopf an die Sitzlehne sinken, drehte sich ein wenig, sodass sie Bradfords Gesicht von der Seite sehen konnte, und betrachtete ihn, während er den entgegenkommenden Verkehr beobachtete. So wie er mit ihr redete, diese Mischung aus Besorgnis und Respekt, aus Liebe und völliger Gleichberechtigung, das war äußerst selten und rührte von einer Nähe her, die von vollkommenem Verständnis für die Person, die sie wirklich war,

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