Mission Munroe. Die Sekte
getragen wurde.
Das Taxi brachte sie nach Palermo, in die lebhafte nordöstliche Ecke des Stadtzentrums, jenseits der wohlhabenden Wohnstraßen von Recoleta. Ursprünglich hatte Munroe sich nur deshalb hier einquartiert, weil sie so weit wie möglich von Logan entfernt sein und das Risiko einer zufälligen Begegnung so gering wie möglich halten wollte. Aber das Hotel war relativ groß für die Gegend, besaß an die dreißig Zimmer, verteilt auf neun Stockwerke, dazu ein Restaurant und Internetanschluss und hatte alles zu bieten, was zur Durchführung einer Rettungsaktion – oder einer Entführung, je nach Blickwinkel – erforderlich war.
Ihr Zimmer lag im vierten Stock. Gemeinsam schoben sie die schweren Kisten zur Tür hinein. Die Einrichtung war zwar genauso stromlinienförmig und austauschbar wie in jedem Hotel in Europa, verlieh dem Zimmer aber dennoch eine gewisse lokale Prägung. Ansonsten aber war es nichts weiter als ein ganz normales Hotelzimmer: zwei Betten, Badezimmer, Fensterbalkon, Sessel in den Ecken, ein Fernseher und an einer Wand ein Schreibtisch.
Die Nachmittagssonne schien zum Balkonfenster herein, und die Heizung nahm der Luft die Kälte. Munroe und Bradford stellten die Möbel um und räumten eine Wand frei. Dann klebten sie ein großes, weißes Blatt Papier daran fest, als Ersatz für eine Wandtafel.
Abgesehen von wenigen, kurzen Zwischenfragen oder einem gelegentlichen Seufzer oder Ausruf des Erstaunens trafen die beiden schweigend ihre Vorbereitungen, holten alle möglichen Dinge zwischen Kleidungsstücken hervor, setzten eines nach dem anderen zusammen, so lange, bis der kleine Schreibtisch voller Geräte lag und die dazugehörigen Kabel und Drähte in alle Richtungen bis auf den Boden hinunterhingen.
Als Munroe alles getan hatte, was sie tun konnte, als ihr klar war, dass sie Bradford keine Hilfe mehr war, sondern eher lästig wurde, wandte sie sich zur Tür.
»Wenn es dunkel wird, bin ich zurück«, sagte sie.
Da sie im Prinzip sehr viel lieber allein arbeitete, hatte sie eigentlich noch nie einen Auftrag angenommen, bei dem sie so sehr auf Hilfe angewiesen war wie dieses Mal. Dafür hatte sie immer genügend Zeit gehabt, und die fehlte ihr in diesem Fall. Es war jetzt über zwei Wochen her, dass Logan erfahren hatte, wo Hannah sich aufhielt, und da die ERWÄHLTEN – insbesondere mit Hannah – sehr
oft umzogen, konnte Munroe nicht riskieren, sie wieder zu verlieren, noch bevor sie sie überhaupt gefunden hatten.
Sie musste sich so schnell wie möglich sehr viele Informationen beschaffen. Wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, dass die ERWÄHLTEN von ihrem Vorhaben Wind bekamen, blieb ihr auch in einer riesigen Stadt wie Buenos Aires keine andere Wahl, als auf elektronische Hilfsmittel und ihren Geldbeutel zurückzugreifen.
Sie hängte das BITTE-NICHT-STÖREN-Schild an die Türklinke, und um neugierige Blicke und unerwünschte Besucher, die sich womöglich über die vielen elektronischen Geräte gewundert hätten, von vornherein auszuschließen, sagte sie auch noch beim Empfang Bescheid, dass ihr Zimmer nicht gereinigt werden sollte.
Als der Nachmittag sich dem Ende entgegenneigte, fuhr sie nach Nueva Pompeya, ein Viertel im Süden der Stadt. Dort befand sich der mittelgroße Lebensmittelladen, mit dessen Besitzer Gideon am Vortag unbedingt hatte sprechen wollen.
Das Geschäft lag in einer schmalen Seitenstraße zwischen einer Vielzahl kleinerer Tante-Emma-Läden. Für ihre Zwecke eine ideale Lage. Munroe stieg ein Stück weiter vorn aus dem Taxi, zog zum Schutz vor der Kälte den Reißverschluss ihrer Jacke zu, näherte sich dem Laden und sah sich aufmerksam um. Ihre flüchtigen Eindrücke von gestern bestätigten sich.
Sie erkannte einen Abschnitt der Schaufensterfront wieder. Sie war auf zwei Fotos aus dem großen Dokumentenstapel aufgetaucht, den Logan ihr gegeben hatte, jeweils im Hintergrund.
Gideon hatte recht gehabt. Der Laden gehörte immer noch dem alten Besitzer, der ein enger Freund der ERWÄHLTEN war. Aber ohne Umschweife direkt auf das Ziel loszustürmen war ausgesprochen riskant, auch wenn es dem Unerfahrenen vollkommen logisch erscheinen mochte.
Die Fotos dienten vor allem dazu, diejenigen zu identifizieren, denen man unbedingt aus dem Weg gehen musste.
Solange sie nicht schneller handeln konnte als ihre Zielperson – und das konnte sie erst, wenn sie Hannah lokalisiert hatte –, bestand jederzeit die Gefahr, dass die ERWÄHLTEN , wenn sie ihnen zu
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