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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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nahe kam, aufgeschreckt wurden und sich in alle Winde zerstreuten.
    Munroe steckte die Hände in die Taschen, überquerte die Straße und betrat das Schuhgeschäft auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Von außen hatte es so ausgesehen, als eignete es sich für Munroes Zwecke, doch ein flüchtiger Blick genügte, um sie eines Besseren zu belehren. Sie nickte dem Inhaber kurz zu, ging wieder auf die Straße und betrat die Boutique nebenan.
    Bis auf die Frau an der Kasse war der Laden leer, und das Angebot ließ vermuten, dass das öfter der Fall war. Die Kassiererin war jung, in den späten Teenagerjahren, möglicherweise auch Anfang zwanzig, saß gelangweilt und desinteressiert da und blickte starr auf ihre Hände, vermutlich auf das Display eines Smartphones. Ihr Platz hinter dem Tresen bot eine nahezu perfekte Aussicht auf die andere Straßenseite.
    Munroe ließ den Blick einmal durch den Laden schweifen, dann sah sie erneut zu der Kassiererin hinüber. Das Angebot des Ladens war eindeutig an eine weibliche Kundschaft gerichtet, doch ihr Gefühl sagte ihr, dass die Verkäuferin einem jungen Mann eher helfen würde. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie mit ihrer Aufmachung –
kein Make-up, geschlechtsneutrale Frisur und Kleidung – und unter der Voraussetzung, dass sie nicht absichtlich als Mann oder als Frau auftrat, von ihrem Gegenüber immer als das betrachtet wurde, was ihm oder ihr am ehesten zusagte.
    Den meisten Menschen war nicht bewusst, dass Maskulinität und Femininität weniger mit dem Aussehen als vielmehr mit einem bestimmten Gestus und einer inneren Haltung zusammenhingen. Munroe war in der Lage, diese Geschlechterrollen mir nichts, dir nichts zu übernehmen und wie selbstverständlich zwischen ihnen hin- und herzuwechseln.
    Nun streifte sie beiläufig und ohne Eile durch den Laden, nahm gelegentlich ein Kleidungsstück in die Hand, hielt es hoch und erweckte alles in allem den Anschein eines Menschen, der nicht in seinem Element war. Sie wartete lange genug ab, hielt zwei Blusen nebeneinander, senkte ihre Stimme um eine Oktave und bat die Verkäuferin, die bis jetzt praktisch keine Notiz von ihr genommen hatte, um Rat.
    »Che, ¿te gusta esta remera para mi hermana?« , sagte sie. »Ich brauche ein Geburtstagsgeschenk und habe, ehrlich gesagt, keinen Schimmer.«
    Die Verkäuferin legte das Handy auf den Tresen und kam ein paar Schritte näher. Munroe setzte ein entwaffnendes Lächeln auf, woraufhin die junge Frau ebenfalls lächelte.
    »Ich heiße Michael«, sagte Munroe. »Und vielen Dank.«
    »Bianca«, sagte die Verkäuferin. »Wie alt ist Ihre Schwester denn?«
    Das Geplänkel zwischen ihnen war freundlich und locker, ein unaufgeregter Austausch über die vorhandene
Auswahl und dazu ein paar persönliche Worte am Rande der Koketterie. Als sie sich dann endlich entschieden hatte, stellte Munroe sich an den Tresen und schaute zum Fenster hinaus. Sie sagte, dass es doch bestimmt langweilig sein musste, den ganzen Tag zum Fenster hinauszustarren und die Leute kommen und gehen zu sehen.
    Bianca nickte seufzend.
    »Dann haben Sie bestimmt auch schon mal den Kleinbus gesehen«, wagte Munroe sich noch ein Stückchen weiter vor. »Den mit den Kindern?«
    »Die Kinder sind aber nicht jede Woche dabei«, erwiderte Bianca.
    »Aber der Bus kommt jede Woche«, sagte Munroe, beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Immer am gleichen Tag.«
    Die ERWÄHLTEN bevorzugten Fahrzeuge, die mehr als vier oder fünf Personen befördern konnten; das war auf den vielen Fotos in Logans Mappe deutlich geworden. Aber abgesehen davon war alles, was Munroe gesagt hatte, reine Spekulation gewesen. Ob sie richtig- oder falschlag, spielte keine Rolle, da Bianca, einem natürlichen Bedürfnis folgend, sie wenn nötig ohnehin korrigieren oder die Auslassungen ergänzen würde.
    Und wie aufs Stichwort fügte sie nun hinzu: »Und immer zur gleichen Zeit.«
    »Der Kleinbus ist grau, oder?«
    »Weiß«, sagte Bianca.
    »Ja, richtig, weiß.« Munroe grinste und flirtete ihr Gegenüber unverhohlen an. »Farbenblind bin ich eigentlich nicht.«
    Bianca errötete und redete weiter, entweder weil ihr die Aufmerksamkeit peinlich war, oder weil sie das Gespräch
noch ein wenig ausdehnen wollte. Sie war eine mitteilsame Klatschtante, und Munroe befeuerte ihr Mitteilungsbedürfnis, so gut sie konnte, stellte ihr immer wieder Fragen, flirtete und lächelte sie schüchtern an.
    Der Kleinbus kam immer am Dienstagvormittag,

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