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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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als unsere eigene Welt gekannt haben, alldem den Rücken zukehren konnten, wie können dann andere, die eigentlich sehr viel besser Bescheid wissen müssten, behaupten, sie seien durch Gehirnwäsche dazu gebracht worden, die Dinge zu tun, die sie getan haben?«
    Bradford erwiderte: »Soll das heißen, dass diejenigen, die im Fernsehen behaupten, sie seien gegen ihren Willen und nur aufgrund einer Gehirnwäsche dazu gezwungen worden, einer Sekte beizutreten oder irgendwelche Grausamkeiten zu begehen, lügen?«
    »Bis zu einem gewissen Grad sind wir alle beeinflussbar«, sagte Heidi. »Einige mehr als andere, klar, aber völlige Willenlosigkeit ist doch etwas ganz anderes. Wenn Erwachsene Sex mit Kindern haben, hat das nichts mit Gehirnwäsche zu tun. Nicht einmal mit Zwang. Niemand hat ihnen die Kniescheibe zertrümmert und gesagt: Entweder du hast jetzt Sex mit Kindern, oder wir tun dir weh. Erwachsene, die Kinder schlagen, hungern lassen, in Schränke einsperren, sie als vom Teufel Besessene bezeichnen … das ist keine Gehirnwäsche. Niemand hat sie gezwungen , das zu tun.
    Weißt du eigentlich, welches die größte Strafe bei den ERWÄHLTEN ist?«, fragte sie Bradford.
    »Ich glaube nicht«, antwortete er.
    »Exkommunikation.«
    »Was bedeutet das?«
    »Nehmen wir einmal an, ein männlicher ERWÄHLTER misshandelt kleine Jungen, was gegen die Regeln ist. Homosexualität ist nicht gestattet. Aber obwohl Pädophilie ein Verbrechen ist, ist es den ERWÄHLTEN , auch den Eltern des betroffenen Kindes, verboten , zur Polizei zu gehen. Die Exkommunikation, die manchmal auf wenige Monate begrenzt ist, gilt als eine so schwerwiegende Strafe, dass alle sie für ausreichend halten. In ihrer Vorstellung ist die Entlassung eines Verbrechers in die LEERE das Schlimmste, was sie ihm antun können. Exkommunikation ist das Druckmittel, mit dem sie die Leute bei der Stange halten. Die Mitglieder würden so gut wie alles tun, nur um davon verschont zu bleiben. Aber wozu überhaupt so ein Druckmittel, wenn man die Leute per Gehirnwäsche dazu bringen könnte, sich automatisch an die Regeln zu halten?
    Die Behauptung, das, was uns angetan wurde, sei das Ergebnis von Gehirnwäsche, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die gequält und misshandelt wurden. Unsere Peiniger haben uns das angetan, weil der PROPHET behauptet hat, es sei in den Augen Gottes das Richtige, weil ihnen irgendeine abstruse, durchgeknallte Ideologie wichtiger war als wir Kinder. Aber sie waren ganz bestimmt nicht willenlos, als sie das getan haben.«
    »Das soll also heißen, dass jemand wie Michael nur dann verändert werden oder dort hängen bleiben könnte, wenn das, was sie sagen und wie sie leben, ihn unmittelbar anspricht?«
    »Das trifft es ziemlich gut«, erwiderte Heidi.
    »Gilt das auch für den Fall, dass die betreffende Person« – Bradford hielt inne –, »nun ja, sich in einer Art emotionaler
Krise befindet? Würde das auch für so jemanden gelten?«
    »Ist es denn so?«
    Bradford zuckte mit den Schultern. »Wir tragen alle unsere Geschichte, unsere Narben mit uns herum, wortwörtlich oder im übertragenen Sinn. Michael ist eine hoch qualifizierte Spezialistin. Das, was sie macht, lernt man nicht in der Schule. Und die Dinge, die sie zu dem gemacht haben, was sie ist, haben ihre Spuren hinterlassen, genau wie bei dir oder wie bei Gideon und Logan.«
    Heidi nickte. »Nach allem, was ich von ihr weiß – und ich glaube, dass ich bis jetzt nur einen winzigen Bruchteil davon kennengelernt habe –, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie auch nur ansatzweise darauf hereinfallen würde.«
    Bradford nickte zustimmend. Er richtete sich auf und zog die Hände aus den Jackentaschen. »Danke«, sagte er.
    »Geht es dir jetzt besser?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte Bradford. »Viel besser.« Er hielt inne, spürte, wie Sekunde um Sekunde verrann, wie der Druck, ins Hotel zurückzukehren, stärker wurde. Doch als er Heidi vor sich stehen sah, wie sie mit dem Rücken an der Wand lehnte, während ihm ihre Worte noch einmal durch den Kopf gingen, schob er jegliche Eile beiseite.
    »Wann bist du eigentlich endgültig ausgestiegen? Wie hast du das geschafft?«, fragte er. »Ohne Schulbildung, ohne Beziehungen, wie hast du das bloß angestellt?«
    »Man fühlt sich wie ein Flüchtling, wie ein Einwanderer, direkt vom Schiff. Du gehst einfach los in die große Stadt, mit nichts als einem Rucksack auf dem Rücken«, sagte sie. »Wo fängst du an? Ich hatte

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