Mission Munroe. Die Sekte
ihr nicht. Nach außen hin verkörperte Heidi mit ihrem engelsgleichen Lächeln die reinste Unschuld, aber hinter dem Rücken der anderen kochte sie ihr eigenes Süppchen. Anders als Gideon mit seiner direkten, unverblümten Art hatte Heidi sich so unauffällig verhalten, dass Logan ein paar Tage gebraucht hatte, bis er das Muster durchschaut hatte. Ein Einkaufsbummel hier, ein kleines Restaurant da, alles leicht zu erklären und kaum zu bemerken, zumal sie sich zur Frühaufsteherin gemausert hatte, während er und Gideon abends meist lange weg waren und gerne länger schliefen.
Tief im Inneren wusste Logan, was Heidi vorhatte, auch wenn es dafür keine Beweise gab. Er hatte einen Verdacht, einen verdammt starken Verdacht, so stark, dass er ihr überallhin folgte. Aber nicht stark genug, um Munroe ins Spiel zu bringen, so wie bei Gideon. Andererseits … für
Heidi brauchte er Munroe nicht. Mit ihr wurde er alleine fertig.
Seine größte Sorge war seine Übermüdung. Er versuchte, Gideon und Heidi gleichzeitig im Auge zu behalten, trotz ihrer gegensätzlichen Zeitpläne, und das brachte ihn in rasantem Tempo an den Rand der totalen Erschöpfung.
Er war davon ausgegangen, dass Munroes Bericht über die Entwicklung des Projekts und ihre ausdrückliche Warnung, dass die anderen sich unter gar keinen Umständen einmischen sollten, bei Heidi Eindruck hinterlassen hatte. Er hatte gedacht, dass sie, wie Gideon, ihr Vorhaben, was immer es sein mochte, zunächst einmal ad acta legen würde. Aber bis jetzt war das nicht geschehen. Also musste er dem Ganzen ein Ende bereiten, bevor die Situation außer Kontrolle geriet, bevor das Ganze auf ihn zurückfiel. Aber dafür brauchte er so etwas wie einen Beweis und der lag ausgerechnet auf dem schmalen Grat zwischen Hoffnung und Katastrophe.
Logan trat aus seinem Versteck auf den Bürgersteig und folgte ihr bis zum Ende der Straße, ohne sie aus den Augen zu lassen. Als er das Taxi erreicht hatte, das auf ihn wartete, hatte Heidi sich ebenfalls eines herbeigewinkt. Sie stieg ein, und die Jagd ging weiter.
Diese tagtäglichen Verfolgungsszenen kamen ihm irgendwie melodramatisch vor, wie im Film – »Folgen Sie diesem Wagen!« –, aber das war auch der einzige leicht spielerische Aspekt daran. In Heidi schlummerte, trotz all ihrer Warmherzigkeit und ihrer Empfindsamkeit, dieselbe Sprengkraft wie in Gideon, das Potenzial, das gesamte Projekt scheitern zu lassen. Und da sie jetzt so dicht davor waren, Hannah zu finden, würde Logan das auf keinen Fall zulassen.
Heidi ließ sich quer durch Recoleta zurück in Richtung Innenstadt bringen, und Logan wusste schon jetzt genau, wohin. Nicht weil er hellsehen konnte, sondern schlicht und einfach deshalb, weil es das dritte Mal in vier Tagen war, dass sie die Calle Florida ansteuerte.
Die Einkaufsstraße war ein wahres Shoppingparadies und gleichzeitig der Albtraum jedes Beschatters: reihenweise Geschäfte, Cafés und Restaurants, Straßenkünstler, fliegende Händler und dichtes Gewimmel. Hier konnte man leicht jemanden aus dem Auge verlieren. Er wusste instinktiv, warum Heidi immer wieder hierherkam. Falls die ERWÄHLTEN irgendwo betteln und Flugblätter verteilen würden, war die Calle Florida mit ihren vielen Touristen und all dem Gedränge genau der richtige Ort dafür.
Das Taxi setzte Heidi nahe der Plaza San Martín ab. Von dort legte sie die letzten Meter zu Fuß zurück. Logan hielt sich weit genug hinter ihr, um nicht bei einem der unberechenbaren Stopps während ihres Schaufensterbummels versehentlich in ihr Blickfeld zu geraten. Wie in den vorangegangenen Tagen war das in den relativ unbelebten Seitenstraßen nicht weiter schwierig. Auf der Hauptstraße jedoch wurde die Lage unübersichtlich.
Logan schob sich etwas dichter an sie heran. Er war dankbar für die grün-blauen Streifen auf ihrer Jacke. Dadurch fand er sie immer wieder, auch wenn er sie länger aus dem Auge verloren hatte, als ratsam gewesen wäre. Bei ihrem ersten Besuch hatte Heidi die gesamte Länge der Straße abgeschritten und war anschließend mit dem Taxi zurück ins Gasthaus gefahren. Beim zweiten und dritten Mal jedoch hatte sie von hier aus noch andere Orte aufgesucht, und er hatte den Verdacht, dass es heute wieder
so sein würde. Aus diesem Grund musste er in ihrer Nähe bleiben.
Und dann war Heidi plötzlich weg. Einfach so. Die Menschenmenge hatte sich geteilt, sich anschließend zu einer großen Woge geformt, hatte ihm, wenn auch nur für
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