Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
vorwärts.
Schon nach kurzer Zeit verließen sie die Straße. Munroe spürte es an den Stößen, hörte es am Jaulen des Motors, roch es am Schlamm und den Lebewesen in der Luft. Sie musste alle Kraft aufbieten, um nicht mit dem Kopf auf den Pritschenboden zu schlagen. Sie fuhren jetzt einen schmalen Pfad entlang. Das Licht veränderte sich, und immer wieder waren Andeutungen von Grün zu erkennen. Tiefer in den Busch.
Sie konnte Beyard nicht sehen – ihr Kopf zeigte in die falsche Richtung –, aber sie konnte ihn spüren. Er war etwas dichter an sie herangerückt, zweifellos um sie zu beruhigen, aber hier gab es nichts mehr zu beruhigen. Schwarze, schlammverkrustete Stiefel standen nur wenige Zentimeter vor ihrer Nase und dicht darüber stumpfes Metall. Das war die Waffe, die auf ihren Kopf gerichtet war.
Der Pick-up blieb ruckartig stehen. Die Soldaten stiegen aus, Munroe wurde hochgerissen und rückwärts von der Ladefläche gezerrt. Dabei schlug sie mit dem Kopf gegen die Heckklappe und sank auf die Knie. Sie spürte pochende Schmerzen im ganzen Schädel, gefolgt von verräterischen Tropfen auf ihrer Wange und dem bitteren Geruch von Blut. Alle Farben gerannen zu Grau, und in ihrem Inneren begannen die Kriegstrommeln ihren Takt zu schlagen. Der Gürtel eines ihrer Kidnapper befand sich auf Augenhöhe. Pistole. Munition. Messer. Der Drang zuzuschlagen wurde stärker, Instinkte kamen in Wallung, und dann, von einem Augenblick auf den anderen, fiel die Wut in sich zusammen, ein Feuer ohne Brennstoff. Sie konnte sich nicht mehr rühren.
Die Angst, die sie bei Beyards Anblick für einen Sekundenbruchteil empfunden hatte, hatte sie von den Beinen geholt. Angst. Wahrscheinlich würde Beyard sterben, wenn sie die Flucht versuchte. Anstatt nun alle Kraft und alle Sinne auf ihr eigenes Überleben zu konzentrieren, machte sie sich Sorgen um Beyard. Das war neu, dieses Gefühl der Angst. Noch nie zuvor hatte sie die Dämonen und Urinstinkte, die unter der Oberfläche lauerten, anlocken müssen. In den Griff bekommen, ja, abwehren, ja, aber sie herbeirufen? Niemals. Ihre wilden Instinkte hatten sich den unpassendsten Moment ausgesucht, um zahm zu werden.
Sie wurde auf die Füße gezerrt. Nicht weit von dem Pick-up entfernt führte ein schmaler Pfad in den Busch. Der Soldat, der am dichtesten bei ihr stand, stieß ihr seine Waffe in die Rippen und nickte in die Richtung, in die sie gehen sollte. Als sie sich nicht von der Stelle rührte, gab er ihr einen Stoß. Die Farbe der Bäume wandelte sich, ging allmählich von Smaragdgrün in ein farbloses Olivbraun über, und ihre inneren Trommeln machten sich nur noch durch ein leises Klopfen in der Brust bemerkbar. Der Pfad war in dem dichten Unterholz nur schwer zu entdecken, und jedes Mal, wenn sie langsamer wurde, sich zu orientieren versuchte, stieß der Lauf der Waffe gegen ihren Rücken. Das Pochen in ihrem Inneren wurde lauter. Sie lächelte tödlich und ballte die Faust, die nach wie vor das Schlüsselbund umklammert hielt. Mit Hilfe des Daumens verschob sie es, sodass die Schlüsselspitzen zwischen ihren Fingern hervorragten.
Es ließ sich unmöglich sagen, wie viele Männer ihnen folgten, ob Beyard denselben Pfad entlanggeführt oder auf seinen ganz eigenen Todesmarsch gezwungen wurde. Sie konnte nichts unternehmen, keinen Plan entwerfen, bevor sie nicht wusste, wo er steckte und wie viele Männer bei ihnen waren. Sie riskierte einen weiteren Rippenstoß und stieß den Ruf des Petersduckers aus, einer kleinen Antilopenart, die vorwiegend im Unterholz lebt. Wenige Augenblicke später wurde ihr Ruf erwidert. Beyard war irgendwo da hinten, auf demselben Pfad wie sie.
Am Rand eines kleinen Flussbetts war der Weg abrupt zu Ende. Fünf Meter Schlamm und knorriges, verdrehtes Wurzelwerk trennten den oberen Rand, wo sie jetzt stand, vom Boden, wo ein trüber, rostroter Bach die Landschaft durchschnitt. In der Regenzeit war das Flussbett bis zum Rand gefüllt mit Wasser, aber jetzt war hier nichts weiter zu sehen als ein dünnes Rinnsal. Zwischen dem Pfad und dem Flussufer lagen nur ein, zwei Meter, mehr nicht. Der Soldat zerrte sie an den Handgelenken auf die Knie und drückte ihr die Waffe in den Nacken. Sie hatte den Blick zum Fluss gewandt, mit dem Rücken zum Pfad. Sein Gürtel befand sich genau auf Augenhöhe, seine Waffe nur wenige Zentimeter von ihrer Wange entfernt. Von hinten waren Schritte zu hören und mit ihnen der Ruf der Antilope.
Beyard war so weit von ihr
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