Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
»Bonuszahlungen« verteilen, können sie auch mit vielen Nicht-Offiziellen sprechen. Ergebnis: Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, dass Emily jemals aus Namibia ausgereist ist.
Phase sechs: In ihren E-Mails und Telefonaten mit Elizabeth Burbank hat Emily angedeutet, dass sie in Afrika bleiben wollte, um Länder zu bereisen, die sie bis dahin noch nicht gesehen hatte. Das würde bedeuten, dass die Gruppe nur einen Weg einschlagen konnte, nämlich den nach Norden.
Weder Emily noch ihre Reisegefährten haben bei der angolanischen, kongolesischen oder gabunesischen Botschaft in Windhoek ein Visum beantragt. Es ist jedoch denkbar, dass sie sich die entsprechenden Visa irgendwo anders besorgt haben oder aber, da sie mittlerweile mit den Gepflogenheiten an afrikanischen Grenzübergängen vertraut waren, versucht haben, dies direkt beim Grenzübertritt zu erledigen.
Angola schließt zwar im Norden direkt an Namibia an, doch diejenigen, die Emily näher kannten, können sich nicht vorstellen, dass sie dorthin gereist ist. Damals war es für Touristen noch ausgeschlossen, auf dem Landweg nach Angola einzureisen und bis heute ist dies angesichts des jahrzehntelangen Bürgerkriegs und seiner Nachwirkungen nicht ratsam. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die drei in die Hauptstadt Luanda geflogen sind, um von dort aus weiter nach Norden vorzudringen. Auch in Bezug auf den Kongo und Gabun gibt es etliche Fragezeichen, da Transportkosten, Visa, Nahrung und Unterkunft in beiden Ländern sehr teuer sind.
Eine weitere Überlegung ist die Sprache. Im Gegensatz zu Süd- und Ostafrika, wo Englisch weit verbreitet ist, wird an der Westküste Afrikas überwiegend Französisch gesprochen. Emily verfügt zumindest über einige Grundkenntnisse, und mittlerweile hat man mit Hilfe der Schulzeugnisse Christof Bergers festgestellt, dass auch er Französisch spricht. Von Mel Shore ist in dieser Hinsicht nichts bekannt.
Der Suchtrupp teilt sich in drei Gruppen, die nach Angola, Gabun und in den Kongo reisen. Doch wie schon die vorangegangenen Suchphasen endete auch diese ohne brauchbare Ergebnisse.
Munroe blätterte um und kritzelte eine Anmerkung auf eine Seite des Anhangs. Alles in allem war der Umfang dieser Suchaktion sehr beeindruckend. Die Familie hatte einen gehörigen Batzen Geld dafür aufgebracht. Aber es blieben Fragen offen, auf die diese Zusammenfassung keine Antwort gab.
Überall lagen Papiere herum. Der Kaffeebecher auf dem Nachttischchen war mehrere Male nachgefüllt, geleert und wieder nachgefüllt worden und hatte, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, einen kreisrunden Abdruck auf der Oberfläche hinterlassen.
Munroe griff nach dem Becher – Zeit für die nächste Ration. Es war kurz vor acht Uhr abends. Bald würde Noah zurück sein und zu ihr kommen – ob er wollte oder nicht. Sie schenkte sich noch einen Kaffee ein.
Anschließend ließ sie sich den Fall in allen Einzelheiten durch den Kopf gehen. Er weckte Erinnerungen. An ein anderes Leben, eine andere Welt, ungezähmt und gewaltig, in der zweispurige Asphaltpisten sich wie Adern durch die Leere südlich der Sahara schlängelten und Busse – uralt, verrostet und schwarzen Rauch ausstoßend – die Aufgabe übernommen hatten, das Blut in Gestalt der Menschheit von einem Ort zum nächsten zu pumpen.
Es war eine Welt, in der die Städte widerspenstige Klumpen waren, unauslöschliche menschliche Fußspuren, die aus der Landschaft emporragten. In denen die Moderne mit den Restbeständen und dem Müll Europas und Asiens verschmolz, wo selbst das Neue bereits veraltet war und wo fließend warmes Wasser und eine stabile Stromversorgung für die meisten Menschen schon Luxus war.
Munroe nahm einen Schluck von der lauwarmen Brühe und schnaubte unwillkürlich. Kein Wunder, dass sämtliche Bemühungen nichts zu Tage gefördert hatten. Der Kontinent war riesig, es gab keine Aufzeichnungen und nur spärliche Indizien. Höchstwahrscheinlich würde dieses Mädchen für immer verschwunden bleiben.
Und doch lockte sie die Herausforderung, die ihren Geist gefangen nahm wie die Fäden eines Spinnennetzes.
Da riss ein sanftes Klopfen sie aus ihren Gedanken. Sie öffnete die Tür, und Noah begrüßte sie mit einem Kuss und überreichte ihr eine kleine, weiße Rose. Sie steckte sie sich hinters Ohr, und er blickte an ihr vorbei auf die Unterlagen, die sie auf ihrem Bett ausgebreitet hatte. Auf Französisch sagte er: »Hast du zu tun? Soll ich später wiederkommen?«
Daraufhin
Weitere Kostenlose Bücher