Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
sein«, sagte er. »Kann sein, dass du eine Weile vorsichtig sein musst. Der Schnitt ist ziemlich tief.«
Als er endlich fertig war, hatte sie fast drei Viertel der Flasche geleert. Betrunken und vollkommen erschöpft, wie sie war, protestierte sie nicht einmal, als er ihr die Kleider auszog und sie in sein Bett verfrachtete. Er verließ das Zimmer, und sie ließ sich dankbar in einen Nebel des Vergessens sinken.
Als sie aufwachte, war es dunkel, und obwohl sie die Augen geschlossen hatte, schwebte das Bett in sanften Kreisen durch den Raum. Sie wusste, dass einige Zeit vergangen sein musste. Auch wenn es in ihrem Zimmer dunkel war, es musste mindestens Nachmittag sein. Auf einem niedrigen Tischchen jenseits des Moskitonetzes entdeckte sie vier Halbliterflaschen mit Wasser. Sie nahm sich eine und trank daraus, milderte die pelzige Trockenheit in ihrem Mund, und dann, obwohl das Zimmer sich immer noch um die eigene Achse drehte, stemmte sie sich aus dem Bett. Mit ungeschickten Fingern versuchte sie, die Fensterläden zu öffnen und ein wenig Licht hereinzulassen. Dabei stellte sie fest, dass eine Decke vor das Fenster genagelt war, aber ob das auch schon gestern Abend der Fall gewesen war, wusste sie nicht.
Von der Unterhose abgesehen war sie nackt. Sie suchte nach ihren Kleidern, fand aber nur eine frisch gewaschene Hose von Francisco über einer Stuhllehne. Darüber lag ihr Geheimgürtel und an einem Nagel an der Wand hing ein frisches Hemd. Rechts vom Stuhl befand sich das Badezimmer, ein kahler, viereckiger Raum mit Betonfußboden, der zur Nordwestecke hin abfiel. Dort befand sich ein Abfluss mit Metallgitter. Rechts des Abflusses stand ein Achtzig-Liter-Eimer mit Wasser. Sie griff nach der Schöpfkelle und wusch sich mit dem kalten Wasser. Vorsichtig achtete sie darauf, ihrer Armverletzung nicht zu nahe zu kommen.
Francisco stand in der Küche und war schweigend mit irgendwelchen Dingen beschäftigt. Als er sie in der Türöffnung stehen sah, die Hand zum Schutz vor der Nachmittagssonne über die Augen gelegt, schloss er die Fensterläden. »Guten Nachmittag«, sagte er. »Gerade wollte ich nach dir sehen.«
»Danke für die Kleider«, sagte sie. »Und für das Bett.« Sie setzte sich an den kleinen Tisch und stützte den Kopf in die Hände.
»Wie geht es deinem Arm?« Er setzte ihr einen Becher Kaffee und zwei weiße Tabletten vor, griff nach ihrem Arm und schob den Hemdärmel nach oben, um einen kritischen Blick auf den behelfsmäßigen Verband zu werfen.
»Tut weniger weh als mein Kopf.«
Behutsam legte er ihr die Hand auf die Wunde, dann krempelte er den Ärmel wieder runter und legte ihren Arm zurück auf den Tisch. »Etwas anderes als Paracetamol kann ich dir nicht anbieten«, sagte er. »Sobald es dir besser geht, wechsle ich den Verband.«
»Danke«, erwiderte sie und spülte die Tabletten mit einem Schluck schwarzen Kaffee hinunter.
Er stellte einen Teller mit Essen auf den Tisch. »Falls du Hunger hast«, sagte er und verließ die Küche. Essen war wirklich das Letzte, was ihr jetzt vorschwebte, aber es war notwendig. Sie stocherte mit der Gabel in dem Teller herum und hörte ihn im Schlafzimmer herumwerkeln. Als er wieder in die Küche kam, hatte sie ungefähr die Hälfte aufgegessen.
Beyard zog den zweiten Stuhl unter dem Tisch hervor, drehte ihn um und setzte sich darauf, die Arme auf die Lehne gestützt. »Ich habe heute Nacht nicht gut geschlafen«, sagte er. Er legte den Zeigefinger an die Stirn und drehte ihn hin und her. »Zu viele Fragen und jede Menge Erinnerungen.«
Munroe wollte etwas sagen, doch er hob die Hand. »Die Zeit wird kommen, so hoffe ich, um die Fragen zu beantworten und die Erinnerungen ad acta zu legen. Gestern Abend hast du gesagt, du willst mir Geld dafür geben, dass ich dich von der Insel wegbringe. Ich will wissen, was dahintersteckt … unabhängig davon, wie meine Antwort ausgefallen wäre. Kann gut sein, dass ich jetzt gar keine andere Wahl mehr habe. Ich muss es wissen, Vanessa: Wer will dich umbringen? Und weiß der Betreffende, dass du hier bist?«
Sie schwieg für einen kurzen Augenblick, dann sagte sie: »Ich weiß es nicht.«
Stumm saß er da, musterte sie, und ihr war klar, dass er nichts sagen würde, bevor sie ihm keine vollständige Antwort gegeben hatte.
»Ich habe ein paar Vermutungen«, fuhr sie fort. »Ich weiß, warum dieser Befehl gegeben wurde, und habe eine leise Ahnung, wer es gewesen sein könnte. Auf dem Weg hierher ist mir niemand
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