Mission Sphinx: Thriller
seufzte tief. »Bringen Sie mich zu ihm.«
In den unversehrten Lagerräumen im Untergeschoß des Krankenhauses hatte man eine Notstation eingerichtet. Es gab kein elektrisches Licht, nur Petroleumlampen. Als Canaris eintraf, herrschte hektisches Treiben, Krankenschwestern und Pfleger eilten hin und her und kümmerten sich so gut es ging um die Kranken und Verwundeten. Der Arzt brachte ihn zu einem Bett, das mit einem Vorhang abgeteilt war, hinter dem sich ein weiterer Arzt und eine Schwester um den Jungen kümmerten.
»Wie geht es ihm?« fragte Canaris.
»Nicht sehr gut.«
Canaris sah das zarte Gesicht des Kindes an und wollte weinen. Seine Augen waren geschlossen, und sein Kopf und sein Unterleib waren in blutige Verbände gehüllt. Es atmete leise röchelnd. »Paul, kannst du mich hören?«
Das Kind reagierte nicht, und der behandelnde Arzt bemerkte:
»Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Es steht unter Schock.«
»Was ist passiert?«
»Eine Bombe hat das Gebäude getroffen -«
»Ich weiß durchaus Bescheid über die verdammten Bomben«, explodierte Canaris. »Das hat ja die ganze Woche über nicht aufgehört. Aber was genau ist mit ihm passiert?«
»Eine Bombe ist in der Station, in der er lag, eingeschlagen.
Beim Aufprall sind die Wände umgestürzt. Teile der Trümmer sind auf ihn gefallen und haben schwere Kopf- und Unterleibsverletzungen verursacht.«
Canaris biß sich auf die Lippen. »Wie stehen seine Chancen?«
Die Ärzte wechselten Blicke, dann schüttelte einer von ihnen den Kopf.
»Können Sie denn gar nichts tun?« fragte Canaris flehend.
»Ich fürchte, es besteht kaum Hoffnung. Es ist ein Wunder, daß er noch lebt.«
In diesem Augenblick sagte die Schwester. »Sein Puls wird schwächer. Ich glaube, er stirbt.«
Das Kind stöhnte leise auf und schnappte ganz schwach nach Luft. Die Luft wich aus seinen Lungen, und seine Augenlider zuckten. Die Ärzte versuchten, es zurückzuholen, doch es war zu spät. Der Kopf des Kindes neigte sich zur Seite, dann lag es still da. Alles Leben war aus ihm gewichen.
Canaris hatte schon oft Menschen sterben sehen, aber wenn es einen so jungen Menschen traf, war es besonders schrecklich.
Tief erschüttert sah er auf das unschuldige Gesicht des toten Jungen hinunter.
»Das arme Kind«, sagte er. In seinen Augen standen Tränen.
Eine Stunde später saß Canaris in seinem Büro und schrieb einen Bericht, als sein Adjutant den müde aussehenden Schellenberg hereinführte. Der Admiral stand nicht auf, sondern legte nur seinen Stift beiseite und zeigte auf einen Stuhl. »Setz dich.«
Es klang schroff, aber Schellenberg setzte sich, und Canaris fragte: »Und, hast du meine Nachricht bekommen?«
Schellenberg bemühte sich, erschüttert zu wirken. »Ja, was für ein schreckliches Pech. Aber was erwartest du auch von diesen Amerikanern und Engländern? Sie schicken Bomber, um unsere Städte zu zerstören, um zu töten und -«
»Halt den Mund, Schellenberg. Ich bin nicht in Stimmung für eine deiner Goebbels-Reden. Du hast Halder versprochen, daß sein Sohn in ein Krankenhaus auf dem Land verlegt wird. Mehr hat er nicht verlangt, warum hast du das nicht getan?«
Schellenberg war empört über Canaris vorwurfsvollen Ton.
»Mir gefällt dein Ton überhaupt nicht.«
»Beantworte meine Frage, verdammt noch mal. Warum hast du den Jungen nicht verlegen lassen?«
»Ich bin erst vor einer Stunde aus Rom zurückgekommen. Ich hatte keine Zeit.«
»Du hattest genug Zeit, bevor du geflogen bist.«
»Nicht wirklich.«
»Zur Hölle mir dir, Schellenberg! Wenn du dein Versprechen gehalten hättest, dann wäre der Junge jetzt noch am Leben.«
Schellenberg stand auf und schob wütend den Stuhl zurück.
»Das muß ich mir von dir nicht gefallen lassen.«
»Setz dich hin, ich bin noch nicht fertig. Du hast außerdem Rachel Stern angelogen.«
Schellenberg runzelte die Stirn. »Inwiefern?«
»Ihr Vater! Ich habe in Dachau nachgefragt. Ihren Angaben zufolge ist Professor Stern nie dort gewesen. Was geht hier vor?
Haben deine Freunde von der Gestapo ihn in ihre schmutzigen Finger bekommen, als er vor vier Jahren verhaftet worden ist?
Kein Zweifel, daß sie ihn in ihren Kellern erschossen oder zu Tode geprügelt haben. Oder vielleicht ist er noch da und vegetiert vor sich hin? Du hast mich angelogen, stimmt’s?«
Schellenberg zuckte die Achseln. »Lügen und Intrigen, das alles gehört zu diesem Spiel dazu, das weißt du genausogut wie ich. Es stimmt, ich habe dir nicht
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