Mission Sphinx: Thriller
gestritten?
»Nein, nie. Das ist wahrscheinlich ungewöhnlich. Sicher hatten wir unsere kleinen Differenzen. Aber nur, weil man verschiedener Meinung ist, muß man sich ja nicht gleich streiten.«
Rachel sah ihn an: »Weißt du was? Ich glaube, ihr beide habt wirklich Glück gehabt. Daß ihr euch getroffen habt, daß ihr so gute Freunde geworden seid. Das habe ich schon ganz am Anfang gedacht, als ich euch gerade erst kennengelernt hatte.
Eine solche Freundschaft ist selten, ihr solltet sie hüten wie einen kostbaren Schatz, und ich hoffe, daß nie etwas zwischen euch kommen wird.« Sie lächelte und sah ihm in die Augen, aber in ihren eigenen lag plötzlich eine unerklärliche Traurigkeit. Dann pflückte sie eine Blume aus einem der Fensterkästen, steckte sie ihm ins Knopfloch, beugte sich vor und gab ihm einen sanften Kuß auf die Lippen. »Ein kleines Geschenk von mir. Nicht zu vergleichen mit einem Universitätsstudium, aber es kommt von Herzen. Ich bin so froh, daß du an der Grabung teilgenommen hast, Harry. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es hier ohne dich und Jack gewesen wäre.«
Weaver sah sie an, sah ihre bemerkenswert blauen Augen und das hübsche Gesicht. »Du wirst mir auch fehlen, Rachel.«
»Wirklich, meinst du das ehrlich?«
»Mehr, als ich sagen kann. Aber ich mache mir Sorgen.«
»Worüber denn?«
»Man hört dauernd dieses Gerede, was mit den Juden in Deutschland passiert. Wenn du je zurückgehen… «
Er sprach den Satz nicht zu Ende, und Rachel sagte leise: »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, daß meine Eltern oder ich nach Deutschland zurückkehren werden, nicht bevor der Krieg vorbei und die Nazis nicht mehr an der Macht sind. Im Augenblick jedenfalls wird Istanbul unser Zuhause sein, und dort ist es sicher. Mein Vater hat eine Menge Verbindungen, und er ist überzeugt, daß er eine feste Dozentenstelle kriegen kann. Aber um ehrlich zu sein, ich mache mir mehr Sorgen um Jack.«
»Wie meinst du das?«
»Er wird auf jeden Fall nach Deutschland zurückgehen und wahrscheinlich einberufen werden. Aber er ist so optimistisch und glaubt, der Krieg würde nicht lange dauern. Seiner Meinung nach ist das ganze Theater Weihnachten schon vorbei, wenn Hitler seinen Willen bekommen und Polen annektiert hat.«
»Das hat er gesagt?«
»Ich habe es ihn heute abend sagen hören. Und ich nehme an, daß viele Leute es so sehen. Aber ich, ich bin mir da nicht so sicher. Ich glaube, wenn es nicht so rasch zu Ende geht, könnte es wirklich furchtbar werden.« Sie wechselte das Thema, um die Stimmung nicht zu trüben. »Aber immerhin hatten wir diese herrliche Zeit miteinander. Das ist etwas, was ich nie vergessen werde. Niemals.«
Sie sahen sich in die Augen, und etwas geschah zwischen ihnen. Weaver war sich sicher, und er sah sie lange an, bevor er sich dazu entschloß, mit ihr zu sprechen, ihr zu sagen, was er wirklich für sie empfand, aber dann sah sie plötzlich weg. Sie schien von einer inneren Unruhe ergriffen.
»Was ist denn?«
»Ninichts.«
Weaver drehte sich um und blickte durch die offene Verandatür ins Innere der Residenz. Ein hagerer Ägypter mit pockennarbigem Gesicht und Zigarette in der Hand fiel ihm dabei auf. Er lehnte an einer Marmorsäule und machte einen unheimlichen Eindruck. Er sah sie verstohlen an, aber als er bemerkte, daß Weaver ihn anstarrte, drehte er sich um und verschwand in der Menge. Weaver wandte sich wieder Rachel zu. »Dieser Mann dort - hat er dich belästigt?«
Sie erschauerte. »Ich habe das Gefühl, daß er mich schon den ganzen Abend lang anstarrt.«
»Vielleicht sollte ich herausfinden, wer er ist?«
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Nein, mach dir keine Gedanken, er ist wahrscheinlich harmlos. Ich fand ihn nur irgendwie unangenehm, nichts weiter. Aber jetzt ist er ja weg.«
In dem Augenblick trat Halder mit zwei Männern durch die Tür auf die Veranda. Einer seiner Begleiter war der amerikanische Botschafter, groß und würdevoll, der andere war ein Ägypter. Er trug die traditionelle arabische Kleidung für offizielle Anlässe: eine mit Gold- und Silberfäden durchwirkte Dschellaba.
Halder kam lächelnd näher. »Sie geben sich die größte Mühe, den britischen Professor wieder auf die Beine zu bekommen, denn er ist völlig betrunken. Aber erlaube mir, dir immerhin den amerikanischen Botschafter und Kemal Assan vorzustellen.«
Der Botschafter schüttelte Rachel voller Wärme die Hand.
»Miss Stern, es ist mir eine Ehre. Ich bin
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