Mission Sphinx: Thriller
einen wackeligen Holztisch, aber keine Stühle.
Der Boden bestand aus nacktem, schmutzigfleckigem Beton.
In einer Ecke saß eine jammernde, schwarz gekleidete Frau, die ein Baby im Arm hielt. Drei weitere trauernde Frauen leisteten ihr Gesellschaft. Alle waren schwarz gekleidet, trotz der unerträglichen Hitze. Weaver nahm an, daß es Verwandte oder Nachbarn waren. Ein halbes Dutzend lärmender, barfüßiger Kinder drängte sich ebenfalls in dem winzigen Raum. Der Todesfall schien sie nicht weiter zu beeindrucken, und sie kicherten und lächelten die Besucher neckisch an. Sanson vertrieb sie mit einem Wink. »Barra! Barra! Raus! Raus!«
Als die Kinder verschwunden waren, sprach Sanson mit den drei Trauernden, und sie gingen ebenfalls aus dem Zimmer und ließen sie mit der Frau und dem Baby allein. »Das hier ist Evirs Witwe. Sie spricht natürlich kein Englisch, und Sie werden ihren Dialekt vielleicht nicht so gut verstehen können, also übersetze ich es besser.«
Die Frau sah aus, als wäre sie weit über vierzig. Ihre Haut hatte bereits viele Falten, aber Weaver schätzte sie trotzdem zehn Jahre jünger ein. Sechs Geburten und ein Leben in Armut und Elend hatten sie vorzeitig altern lassen. Es gab noch einen zweiten Raum, wo die Familie schlief, aber keine Betten, nur ein paar alte Decken lagen auf dem Boden herum. Weaver spürte, daß etwas an seiner Jacke zog, und er blickte hinunter. Ein kleiner Junge von vielleicht zehn Jahren mit großen Augen und einem vorwitzigen, schmutzigbraunen Gesicht lächelte ihn an.
Weaver strich ihm über den Kopf und sah zu seinem Entsetzen, daß das Haar des Kindes vor Läusen starrte.
»Barra!«sagte Sanson zu dem Kind.
Der Junge klammerte sich an Weaver, und Sanson kam, um ihn wegzuziehen. »Nein, lassen Sie, das ist schon in Ordnung.«
»Lassen Sie es sich von einem ehemaligen Polizisten sagen, Weaver. Der Junge wird sich ihrer Brieftasche bemächtigen, bevor Sie auch nur irgend etwas gemerkt haben. Wer hier auf die Welt kommt, kann stehlen, bevor er noch richtig laufen kann.«
Das Kind machte einen harmlosen Eindruck, aber Weaver wußte, daß Sanson wahrscheinlich recht hatte. »Ich glaube, Sie sollten erklären, warum wir hier sind.« Er nickte der Frau zum Gruß zu. »Sie wollten sie fragen, ob sie weiß, warum ihr Mann diese Zeichnung hatte.«
Sanson sprach mit der Frau, die nicht aufhörte, vor sich hin zu jammern. Nach ein paar Minuten antwortete sie mit tränenerstickter Stimme. Sie sprach den Dialekt der Elendsviertel, und Weaver konnte kein Wort verstehen.
Sanson sah frustriert aus. »Sie sagt, daß sie nicht weiß, warum er die Zeichnung besessen hat. Sie sagt, daß sie es selbst nicht versteht. Nicht nur das mit der Zeichnung - sie fragt sich auch, warum so ein wichtiger Effendi in ihr Haus kommt.«
»Sagen Sie ihr, daß die Information sehr wichtig sein könnte, und daß wir uns für jede Unterstützung erkenntlich zeigen werden.«
Während Sanson übersetzte, zog der Junge wieder an Weavers Jacke. Dieser griff in seine Tasche und fand einen Kaugummi, den er dem Jungen gab. Die Augen des Jungen leuchteten vor Begeisterung, als er Weaver anlächelte. Er nahm den Kaugummi, faltete sorgfältig das Silberpapier auseinander und steckte ihn in den Mund.
Als die Frau antwortete, sagte Sanson: »Sie behauptet, daß ihr Mann nie etwas von seinen Geschäften erzählt habe. Und sie weiß nicht, wo er an dem Abend hingegangen sein könnte, an dem er ermordet worden ist. Aber am Abend zuvor hat er ihr gesagt, daß er sich mit jemandem treffen wolle. Er ist gegen neun Uhr aus dem Haus gegangen und kurz vor Mitternacht zurückgekommen. Sie möchte wissen, ob Ihnen das hilft.«
»Wo haben sie sich getroffen?«
»Sie behauptet, es nicht zu wissen. Ihr Mann habe ihr nie gesagt, wo er hingeht oder wo er sich mit anderen trifft.«
»Ist sie sicher?«
Sanson nickte. »Ich bin überzeugt, daß sie uns die Wahrheit sagt, Weaver.«
Die Frau plapperte noch etwas für Weaver Unverständliches, und Sanson antwortete auf arabisch: »Sei still.«
»Was hat sie gesagt?« wollte Weaver wissen.
»Sie möchte, daß ich Ihnen sage, daß sie nichts zu essen hat und sechs Mäuler stopfen muß, und daß Allah den Effendi für jede Hilfe, die er einer Witwe zukommen ließe, belohnen würde.
Aber achten Sie gar nicht darauf.«
Weaver sah das Baby in ihren Armen, wurde sich der erbärmlichen Lebensumstände bewußt und nahm seine Brieftasche heraus. Die Erlebnisse des Krieges hatten
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