Mission Unterhose
mich? Ich kann mich benehmen, was glaubst du?!« Feierlich hob er die Finger zum Schwur. »Meine Gedärme sollen in der Sonne schmoren, wenn ich auch nur ein falsches Wort sage.«
Es gelang Kalli etwa drei Sekunden lang, den Mund zu halten, nachdem Hannes’ Vater ihn an der Haustür begrüßt hatte. Dann war da jedoch leider der große Spiegel im Flur. Kalli starrte hinein und riss die Augen auf.
»Eh, was guckst du!«, ranzte er sein Spiegelbild an. »Bin isch Kino? Du, sei vorsischtisch, sonst hol ich meine Schwestern.«
Hannes’ Vater zwinkerte irritiert. »Hat er Probleme?«, raunte er Hannes zu.
»Nein, nein, er übt nur!«, erklärte Hannes, zog Kalli in die Küche zum Esstisch und drückte ihn dort auf einen Stuhl. Hannes’ Mutter stand am Herd und kochte.
»Üben?«, fragte Hannes’ Vater interessiert. »Wofür denn?«
»Für meine Comedy-Show«, antwortete Kalli stolz. »Soll ich mal was vormachen?«
»Nein!«, rief Hannes. Er hatte die starke Befürchtung, dass Kallis Witze nicht das Richtige für seine Eltern waren.
»Gerne!«, sagte Hannes’ Vater.
»Okay«, sagte Kalli. »Ich hab gerade eine neue Nummer. Sie heißt ›Monster‹.«
»Nein!«, rief Hannes. »Die ist nicht gut! Mach was anderes. Irgendwas anderes!«
Sein Vater hob abwehrend die Hand und lächelte Kalli aufmunternd zu. »Nein, nein, wir wollen das Monster sehen. Wir sind offen für alles. Wir haben Humor.«
»Absolut«, bestätigte Hannes’ Mutter und stellte zwei dampfende Schüsseln auf den Tisch.
Kalli schnellte vom Stuhl, krümmte sich und hinkte röchelnd durch die Küche.
»Hrrrch, krrrch! MOOOOOONSTERZEIT! Ich fresse ALLES! Fleisch und Müll und Raumschiffe! Hrrrch, krrrch!« Er legte die gesamte Monstershow hin, mit allem Drum und Dran.
Hannes warf besorgte Blicke zu seinen Eltern, die entgeistert auf den tobenden Kalli starrten. Hannes konnte quasi in ihre Köpfe gucken. ›Dieser Junge‹, dachten sie, ›hat ein wirklich großes Problem‹. Als Kalli schließlich mit einem gewaltigen »BAMM!« explodierte und sich auf den Boden fallen ließ, gab es einen kleinen, unbehaglichen Moment der Stille, bevor Hannes’ Eltern höflich applaudierten.
»Nun«, begann Hannes’ Vater, nachdem Kalli wieder am Tisch saß. »Das war interessant. Du möchtest also ein Monster sein, Kalli? Wieso möchtest du das denn?«
»Nein!«, warf Hannes hastig ein. »Er will kein Monster sein. Er probiert nur alles Mögliche aus.«
»Ausprobieren ist gut.« Hannes’ Mutter begann, allen die Teller zu füllen. »Nur wenn man etwas ausprobiert, weiß man, ob es das Richtige für einen ist. Möchtest du lieber eine Gemüsefrikadelle oder ein Sellerieschnitzel, Kalli?«
»Sellerieschnitzel?«, fragte Kalli. »Ist das Fleisch?«
Hannes’ Mutter lächelte. »Nein, Sellerie ist ein Gemüse.«
»Gemüse kann kein Schnitzel sein«, stellte Kalli fest.
»Doch«, antwortete Hannes’ Vater nachsichtig. »Das kann es sehr wohl. Wir sind Vegetarier, Kalli. Wir essen kein Fleisch.«
Kalli blickte sie erstaunt an. »Kein Fleisch? Aber Würstchen schon, oder?«
Hannes’ Eltern beschlossen, dass Kalli aufgeklärt werden müsste, und erklärten ihm sehr gründlich, warum es kein Fleisch bei ihnen gab und was Vegetarier waren. Hannes hatte diesen Vortrag schon ungefähr 375.000 Mal gehört und kannte ihn auswendig. Es ging um die armen Tiere und die Umwelt und Gesundheit im Allgemeinen und ein gutes, bewusstes Leben. Besonders die Sache mit dem guten, bewussten Leben war höchst kompliziert und brauchte jede Menge Worte, um erklärt zu werden. »Aha«, sagte Kalli zwischendurch einige Mal und wollte ganz offensichtlich noch mehr sagen, aber Hannes trat ihm jedes Mal unterm Tisch gegen das Schienbein und da schwieg er.
Hannes war sehr froh, als das Abendessen vorüber war. Besonders zum Schluss hin wurde es gefährlich, denn da fragten seine Eltern, was für Bücher Kalli denn lesen würde.
»Ich bin nicht so der Büchertyp«, sagte Kalli. »Ich bin eher so der Fernsehtyp. Ich guck …«
»Wissenssendungen«, rief Hannes. »Er guckt Wissenssendungen.«
»Wissen ist gut«, bemerkte Hannes’ Mutter. »Und was für Themen interessieren dich besonders?«
»Alles«, sagte Hannes. »Ihn interessiert wirklich alles. Hauptsache, es ist Wissen.«
»Jawohl«, stimmte Kalli zu. »Zum Beispiel Wissen über Tiere. Zum Beispiel, warum Elefanten nicht Fahrrad fahren. Wissen Sie, warum die nicht Fahrrad fahren? Weil die keinen Daumen zum Klingeln
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