Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
gegenüber, die der Staat damit beauftragt hatte, Entscheidungen über sie und für sie zu treffen.
Aber sie zeigte keine Gnade gegenüber Mädchen, die versuchten, ihr wehzutun oder sie einzuschüchtern. Sie hatte schnell gelernt, solche Emotionen zu unterdrücken, wusste, dass sie eine Schwäche waren, die sie sich in Kaunas nicht leisten konnte.
Das Leben in einem staatlichen Gefängnis war für Jugendliche ein brutaler Überlebenskampf. Nur die Starken überlebten, und sie war fest entschlossen zu überleben.
Sie veränderte nicht nur ihr Äußeres. Allmählich verwandelte sich ihr weicher, schwacher Körper, entwickelte harte, feste Muskeln, die sie höchst wirkungsvoll einzusetzen lernte. Sie war immer schon schnell und beweglich gewesen, aber jetzt verfügte sie auch über körperliche Kraft. Sie entwickelte eine Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen, die sie niemals für möglich gehalten hätte, konnte mit Leichtigkeit die Schnitte und Prellungen ignorieren, die sie bei den Kämpfen zwangsläufig davontrug. Sie hatte ihr Haar kurz geschnitten, damit ihre Gegnerinnen es nicht mehr packen konnten; Eitelkeiten konnte sie sich an diesem Ort nicht leisten.
Gleichzeitig begann sie damit, sich auch intellektuell weiterzubilden. Sie wusste, dass sie alles an Wissen brauchen würde, wenn sie entlassen wurde. In der Schule war sie aufgeweckt und intelligent gewesen, aber in ihrer Zeit im Waisenhaus war sie weit zurückgefallen, als sie in Depression und Trägheit verfallen war. In Kaunas jedoch stürzte sie sich wieder auf das Lernen. Sie verbrachte viele Stunden in der nur selten genutzten Bibliothek, sog alles in sich auf, angefangen von Geschichte über Geographie, Mathematik, Physik bis hin zu Philosophie.
Sie war vollkommen von Sun Tzus Die Kunst des Krieges fasziniert und las das Buch immer und immer wieder. Diejenigen Lektionen, die sie als besonders nützlich für sich selbst erachtete, prägte sie sich ein. Dann begann sie eine eigene Philosophie zu entwickeln, wie sie ihr Leben leben wollte; ein Leben ohne Kompromisse, ohne Schwäche und ohne Zweifel. Ihr Leben wurde von da an von Prinzipien gesteuert.
»Meine Zeit dort hat mich verändert. Ich habe gelernt, mich zu wehren, die Kontrolle über mich wiederzuerlangen.« Sie nickte langsam, als wollte sie sich selbst etwas bestätigen. »Erst als ich alle Hoffnung aufgegeben hatte, habe ich einen Grund gefunden, für den es sich lohnte zu leben. Als ich entlassen wurde, war ich … war ich anders. Ich glaube, ich hatte gelernt, mein altes Leben hinter mir zu lassen.«
Drake hatte schon lange aufgehört, an dem Rad zu arbeiten, und lauschte fasziniert jedem Wort, das sie sagte.
Anya lächelte schwach. »Danke.«
Er sah sie verwirrt an. »Wofür?«
»Dass Sie mir zugehört haben.«
Drake wandte wortlos den Blick ab. Dann sah er auf den Kreuzschlüssel und das Rad, das sich ihm bis jetzt widersetzt hatte. Er kniete sich daneben, setzte das Werkzeug erneut auf die Radmutter und zog mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, an dem Kreuzschlüssel, bis seine Muskeln zitterten.
Metall kreischte protestierend, und plötzlich löste sich die Mutter.
Es dauerte nur fünf Minuten, bis er das defekte Rad freibekommen, das Reserverad aufgezogen und es festgeschraubt hatte. Schwitzend, keuchend und zitternd von der Anstrengung wäre Drake fast auf dem Beifahrersitz zusammengebrochen, während Anya den Motor anließ und den Gang einlegte.
Sie waren wieder unterwegs.
53
Mabahith-Hauptquartier, Riad
»Wie ich schon sagte, wir haben guten Grund zu der Annahme, dass zwei gesuchte Terroristen in Ihrem Land operieren«, sagte Dietrich. Er erklärte ihre Mission mittlerweile zum dritten Mal, und seine Ungeduld wuchs. »Wir wurden hergeschickt, um sie aufzuspüren und zu verhaften. Es tut mir leid, aber mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
Sie waren vom Flughafen ins Hauptquartier des Mabahith – ein großes viereckiges Gebäude, das Dietrich mehr an eine Festung als an ein Verwaltungszentrum erinnerte – und dann zu Tariqs Büro gebracht worden, um ihn über die Lage zu informieren.
Tariq seinerseits schien von Dietrichs Erklärung nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Er saß hinter seinem Schre ibtisch, eine Tasse starken schwarzen Tees vor sich – ihnen hatte er keinen angeboten –, und schien sich damit zufriedenzugeben, sie den ganzen Tag hierzubehalten.
Hinter ihm stand ein jüngerer Mann in einer olivgrünen Uniform. Er stand stocksteif da, die Hände
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