Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
gewesen. Jetzt jedoch hatte das Eisen bereits angefangen zu rosten, der kleine Brunnen in der Mitte des Hofes war schon lange versiegt, und zwischen den Steinplatten wucherte Unkraut. Die Fenster im Erdgeschoss waren mit Läden verrammelt, und die schwere Haustür war abgeschlossen. Die Farbe blätterte bereits ab, und die Bretter waren porös und von der Sonne grau verfärbt, aber die Tür wirkte immer noch ziemlich solide.
»Es ist totenstill hier«, meinte Drake, als sie sich der Haustür näherten.
»Er ist da«, versicherte ihm Anya. »Und er weiß auch, dass wir hier sind.«
Sie hämmerte gegen die Tür.
Nichts passierte.
Die Zeit verstrich, in der Ferne bellte ein Hund, der Wüstenwind wirbelte Sand und Staub um ihre Füße, und die Tür rührte sich keinen Millimeter.
Drake fragte sich, ob sie einen Fehler gemacht hatte. Anya war immerhin vier Jahre aus dem Verkehr gezogen gewesen. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ihre Kontaktpersonen von früher mittlerweile weggezogen waren.
»Vielleicht sollten wir …«
Das Schaben, mit dem ein Riegel zurückgeschoben wurde, unterbrach ihn. Dann wurde das Schloss mit einem Klicken geöffnet. Einen Moment später schwang die Tür auf.
Vor ihnen stand ein Hüne, der den ganzen Türrahmen ausfüllte. Er wog mindestens dreihundert Pfund und war fast fünfzehn Zentimeter größer als Drake. Der massige Eindruck wurde noch durch ein knöchellanges wollenes Gewand unterstrichen, das wie ein Zelt von seinen breiten Schultern herunterzuhängen schien.
In diesem Moment wurde sich Drake erneut sehr deutlich bewusst, dass sie keine Waffen besaßen. Sie waren gezwungen gewesen, die Glock in Miami zurückzulassen, und nach ihrer Ankunft in Riad hatten sie keine Zeit gehabt, sich Ersatz zu besorgen.
Wenn dieser Kerl ihnen feindselig gesinnt war, hatten sie ein Problem. Selbst Anya hätte alle Hände voll zu tun gehabt, wenn sie einen Mann bezwingen wollte, der doppelt so groß war wie sie.
Mit finsterem Blick betrachtete er die beiden Besucher, wobei er die Frau besonders feindselig ansah. Vermutlich weil sie nicht die traditionelle Abaya trug, die Frauen in der Öffentlichkeit anlegen mussten. Er murmelte etwas auf Arabisch und konzentrierte seine Aufmerksamkeit dann auf Drake.
Glücklicherweise kam Anya ihm rasch zu Hilfe. Sie sprach schnell und, wie es schien, flüssig in der Sprache des Mannes. Zu Drakes Überraschung veränderte sich ihre Haltung schlagartig. Sie wirkte ehrfürchtig, fast unterwürfig. Sie hatte den Kopf demütig gesenkt und hielt den Blick auf den Boden gerichtet.
Aber trotz dieser plötzlichen Zurschaustellung von sanfter Weiblichkeit bemerkte Drake, dass sie auf alles vorbereitet war; ihre Muskeln waren angespannt, und sie war bereit, sofort zu reagieren, falls er auf die Idee kommen sollte, sie anzugreifen.
Drake hatte keine Ahnung, was sie sagte, aber er schnappte mehrmals das Wort Hussam auf. Wahrscheinlich war das der Name ihrer Kontaktperson.
Der große Mann hörte ihr zu. Seine ärgerliche Miene, weil eine Frau es wagte, ihn einfach anzusprechen, verwandelte sich in Überraschung und Verwirrung, als ihre Worte Wirkung zeigten und er verstand. Als sie zu Ende gesprochen hatte, blieb er stumm in der Tür stehen, während er über das, was sie gesagt hatte, nachdachte. Schließlich grunzte er etwas, trat zur Seite und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung einzutreten.
Anya warf Drake einen aufmunternden Blick zu und trat ins Haus. Drake hatte keine Wahl, falls er nicht den streunenden Hunden Gesellschaft leisten wollte, und folgte ihr. Dabei machte er um den Hünen einen möglichst großen Bogen.
Sie standen in einem großen gefliesten Flur, von dem auf beiden Seiten Türen abgingen. Die Wände bestanden aus weiß gestrichenem Stein und waren in regelmäßigen Abständen mit Wandteppichen bedeckt.
Sie rochen Essen, Tee und Tabakrauch. Am Ende des Ganges hallten Stimmen.
Der Hüne führte sie durch den Flur, während er sie misstrauisch im Auge behielt, und bog dann in den zweiten Raum auf der linken Seite ab.
Die Luft war geschwängert von Tabakrauch, der die Sicht vernebelte und Drake in den Augen brannte. Trotzdem konnte er erkennen, dass der Raum voll war. Ein halbes Dutzend Männer verschiedenen Alters saßen auf dicken Kissen, rauchten, tranken Tee und redeten miteinander.
Die Gespräche brachen schlagartig ab, als Drake und Anya hereinkamen. Ein unbehagliches Schweigen senkte sich über die Versammelten, während sich
Weitere Kostenlose Bücher