Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
Geschrei ging, wie es für solche Spiele eben typisch ist.
Der Junge warf seiner Schwester vor zu schummeln. Er war klein und pummelig wie sein Vater und ganz offensichtlich für solche Spiele nicht sonderlich gut geeignet. Als Antwort streckte das kleine Mädchen ihm spöttisch die Zunge heraus und rannte leichtfüßig davon, während er sie verfolgte.
Trotz ihrer Sorgen musste Anya über das Verhalten der Kinder lächeln. Sie waren jung, beide nicht einmal zehn Jahre alt, und hatten noch keine Ahnung, welche Rollen die Gesellschaft ihnen eines Tages auferlegen würde.
Anya hatte nie eigene Kinder gehabt – etwas, wofür sie im Grunde dankbar war, da sie sich selbst nie für mütterlich gehalten hatte. Schon als Mädchen hatte sie nur Aufregung und Abenteuer im Kopf gehabt, nicht Babys und Mutterschaft.
Außerdem war ihr die Entscheidung aus der Hand genommen worden. Nach dem, was ihr in Afghanistan passiert war, konnte sie ohnehin keine Kinder mehr bekommen. Vieles hatte sich nach dieser schrecklichen Tortur für sie verändert.
Vielleicht war es ja auch richtig so. Sie war eine Soldatin, keine Mutter. Sie existierte, um Leben zu nehmen, nicht, um es zu schenken.
Und doch gab es Momente, sehr seltene Momente, wo sie gewisse Gefühle hatte. Etwas, das ebenso unerklärlich wie beunruhigend war. Es war kein spezielles Gefühl oder ein Gedanke, sondern fast eine körperliche Empfindung – ein Gefühl von Leere, von Sehnsucht, als würde ihr Körper sich irgendwie an den Zweck erinnern, für den er geschaffen worden war, und versuchen, sie darauf hinzuweisen.
Zerstreut berührte sie ihren Bauch, der hart und flach war von all den Jahren körperlichen Trainings. Sie dachte darüber nach, wie es sich wohl anfühlte, wenn er voll und rund war, wenn sie den Tritt eines winzigen Fußes spürte, fühlte, wie ein neues Leben in ihr heranwuchs …
Sie fuhr herum, als die Tür sich öffnete und Drake hereinkam.
»Sie und Hussam waren ja recht lange weg«, bemerkte sie und beobachtete prüfend seine Reaktion.
Drake wich ihrem fragenden Blick aus. »Er redet ganz gern.«
Sie lachte amüsiert. »Ich habe nicht vor, Sie zu verhören, Drake. Wenn Hussam sich mit Ihnen unterhalten wollte, waren seine Worte nur für Sie bestimmt.«
»Sie sind sehr vertrauensselig. Wenn er mir nun gesagt hätte, ich sollte Sie töten?«
Sie hob eine Braue. »Wie schon gesagt, Sie könnten es zumindest versuchen.«
Doch während sie seine Reaktion beobachtete, spürte sie, dass es um mehr ging als nur um ein Gespräch mit Hussam .
»Ist etwas passiert?«, erkundigte sie sich.
Drake sah sie scharf an, aber bevor er antworten konnte, spürte er, wie das Telefon in seiner Tasche vibrierte. Er holte es heraus und warf einen Blick auf die Nummer. Es war Munro.
»Was ist denn jetzt noch?«
»Verschwinden Sie, Drake!«, schrie Munro. Seine Stimme klang hart und drängend.
»Was …?«
»Ihr Versteck ist aufgeflogen. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber ein Shepherd Team nähert sich Ihrer Position. Wenn Sie nicht wollen, dass Sie geschnappt werden, dann verschwinden Sie aus diesem Gebäude. Sofort!«
Anya hatte dem Gespräch aufmerksam gelauscht. Sie bemerkte sofort die Veränderung in Drakes Haltung, sah, wie er sich anspannte. Irgendetwas stimmte nicht.
Drake verschwendete keine Zeit mit Erklärungen, während er das Handy wieder in die Tasche schob. »Wir müssen verschwinden.«
Sie reagierte sofort und stopfte ihre Ausrüstung in den Rucksack, den sie mitgenommen hatte.
Noch während Drake nach den Waffen griff, die unter dem Bett verstaut waren, hörten sie draußen ein Geräusch. Ein hartes, schweres, rhythmisches Wummern. Rotorblätter.
»Da ist es!«, rief Dietrich und starrte durch sein Nachtsichtgerät auf das Gebäude unter ihnen, dem sich ihr Black-Hawk-Helikopter, eine Leihgabe der saudischen Armee, donnernd näherte. »Alpha-Team ist bereit!«
Er konnte den Landrover sehen, der in der Nähe des Hauses parkte. Die Siedlung unter ihnen wirkte wie das Miniaturmodell einer Stadt. Sie bestand nur aus kleinen Gebäuden und schmalen Gassen.
Dietrich drehte sich zu den anderen Mitgliedern seines Kommandos herum. Sie alle trugen schwarze Einsatzkleidung. »Die beiden Verdächtigen sind bewaffnet und werden als extrem gefährlich eingestuft. Also gehen Sie kein Risiko ein. Verstanden?«
Ein bestätigendes Murmeln antwortete auf seine Frage. Aber ein Mitglied des Teams blieb stumm.
»Frost! Haben Sie mich
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