Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
Krankheiten waren ein ständiges Problem, ebenso wie Läuse und andere Parasiten. Da die Wärter den Gefangenen häufig auch körperlich sehr nahe kamen, vor allem, wenn sie sie verprügelten, lag ihnen viel daran, diese Dinge unter Kontrolle zu behalten. Weigerten sich Gefangene, sich zu waschen, wurden sie verprügelt und bekamen eine zehnminütige Sonderbehandlung mit eiskaltem Wasser aus einem Feuerwehrschlauch.
Die Gefangene behielt Bastard misstrauisch im Auge, während sie ihr Kinn hob und aufstand. Krätze und Triefauge hielten vorsichtig Abstand, als sie aus der Zelle trat. Sie hielten ihre Waffen gezückt, für den Fall, dass sie auf komische Gedanken kam.
Aus reiner Gewohnheit warf sie einen Blick auf die Waffen. Sie erkannte sie sofort, da sie sehr gründlich in moderner Waffenkunde ausgebildet worden war. Sie trugen Makarow PM s, halbautomatische Rückstoßlader. Mit ihren achtschüssigen Magazinen verfeuerten sie spezielle Neun-Millimeter-Stahlmantelpatronen. Ihre Reichweite betrug bis zu fünfzig Metern.
Es war keine besonders elegante Waffe, aber sie war einfach, billig und zuverlässig. Was auch ganz gut war, denn sie bezweifelte, dass die Idioten hier etwas Komplizierteres handhaben konnten.
Gab es eine Möglichkeit, jetzt zu entkommen? Sie hatte zahllose Male ruhig darüber nachgedacht, mit fast klinischer Distanziertheit, während sie der vertrauten Strecke zur Dusche folgte. Selbst zerschlagen, wie sie war, hätte sie einen Mann mit bloßen Händen ausschalten und vielleicht sogar mit dessen Waffe einen zweiten töten können. Doch der dritte hätte sie erschossen, bevor sie auch nur auf ihn hätte anlegen können. Und sie holten sie immer zu dritt.
Bastard ging voraus, die vertraute Strecke an den anderen Einzelzellen vorbei. Sie hatte sich nie die Mühe gemacht, mit ihren Mitgefangenen zu kommunizieren, aber manchmal regte sich in ihr die Neugier, wer sonst noch mit ihr in dieser Latrine hockte. Waren es gute Leute oder üble Verbrecher? Verdienten sie es, hier zu sein? Gab es überhaupt jemanden, der so etwas verdiente?
Bastard schloss die Sicherheitstür am Ende des Blocks auf. Sie war aus massivem Eisen und wog zweifellos erheblich mehr als er. Solche Türen befanden sich normalerweise in Bunkern und Munitionsdepots. Sie gingen weiter, an der Kontrollstelle für den Zellenblock Ost vorbei. Die Station war mit einem weiteren Wärter besetzt, der ihr einen lüsternen Blick zuwarf, als sie vorbeiging.
Sie durchquerten eine zweite Sicherheitstür und bogen dann scharf nach rechts in den Hauptgang ab, wo die normalen Gefangenen lagen. Sie belegten zu dritt oder viert eine Zelle und wurden entweder als etwas weniger gefährlich erachtet, oder aber sie mussten weniger brutal bestraft werden als die Häftlinge in den Einzelzellen.
Es dauerte etwa fünf Sekunden, bis der erste Insasse sie bemerkte. Augenblicklich begannen das Gebrüll und die un flätigen Beschimpfungen. Offenbar verbrachten die Män ner sehr viel Zeit damit, sich auszumalen, was sie mit ihr anstellen würden, wenn sie jemals mit ihr allein wären, denn sie hörte jedes Mal mindestens eine neue Beleidigung, wenn sie vorbeiging.
Sie hätte fast gelächelt, als sie sich vorstellte, was tatsächlich passieren würde, wenn sie all das jemals versuchen würden. Immerhin förderte sie auf diese Weise die Kreativität der Männer.
Bastard ließ sich Zeit, damit jeder sie ausführlich betrachten konnte. Sie blickte starr geradeaus und reagierte nicht auf die Obszönitäten, die man ihr beim Vorübergehen nachschrie.
Sie waren fast da.
Die Dusche war ein riesiger Raum, gefliest mit zerbrochenen und verschimmelten Kacheln. Die Leitungen waren rostig und undicht. Hier passten gleichzeitig bis zu fünfzig Gefangene hinein, aber heute hatte sie wie immer die Dusche für sich allein. Sie machte alles allein.
»Ausziehen«, befahl Bastard. Seine Befehle waren immer barsch und kurz, weil er nicht genau wusste, wie viel Russisch sie verstand. Das wusste keiner von ihnen – sie hatte seit ihrer Ankunft in Khatyrgan kein einziges Wort gesprochen.
Sorgfältig zog sie Stiefel, Hose und das verschwitzte Hemd aus und als Letztes das dünne T-Shirt, das sie darunter trug.
Ihre Kleider lagen in einem Haufen vor ihren Füßen, und sie stand nackt vor ihm. Aber sie schämte sich nicht.
Er ließ sich Zeit, sie zu betrachten. Das machte er immer, einfach nur, weil er die Gelegenheit dazu hatte. Sie zuckte weder zusammen, noch versuchte sie, sich
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