Mission Walhalla
Notizbuch.
«Metelmann», sagte er leise.
«Wie Sie sehen werden, sind auf der Seite Zahlungen notiert, die der betreffende Offizier im Austausch für Informationen erhielt. Anders ausgedrückt, der Täter war ein bezahlter Informant des Ermordeten. Ich glaube, dass die beiden Männer sich um Geld gestritten haben, Herr Major. Unter anderem. Möglicherweise war Gebhardt der Meinung, eine vom Mörder erhaltene Information sei ihre fünf Rubel nicht wert. Das war sein übliches Honorar. Nach dem Mord hat der Täter das Geld dann an sich genommen.»
Ich händigte Sawostin einhundert der Fünf-Rubel-Scheine aus, die ich hinter dem Stalinplakat gefunden hatte. Sawostin reichte das Notizbuch an den Oberst weiter.
«Dieses Geld habe ich in einem Versteck in Gebhardts Hütte gefunden. Wie Sie sehen, sind sämtliche Scheine in der rechten oberen Ecke mit einer kleinen Bleistiftmarkierung versehen, die wohl ein russisch-orthodoxes Kreuz darstellt.»
Sawostin schaute sich einen der Scheine genauer an und nickte. «Alle?», fragte er.
«Jawohl, Herr Major.» Das wusste ich, weil ich jeden einzelnen Schein selber markiert hatte. «Ich vermute, dass Sie bei einer Durchsuchung des im Notizbuch genannten Offiziers einen oder mehrere Fünf-Rubel-Scheine in seinem Besitz finden werden, die mit derselben Bleistiftmarkierung in der oberen rechten Ecke gekennzeichnet sind. Dieser Offizier ist außerdem Linkshänder, und er hat zurzeit am Arm eine Kratzwunde, die er sich höchstwahrscheinlich beim Angriff auf Gebhardt zugezogen hat.»
Ich hielt noch immer meine Mütze in der Hand, und nun rieb ich mir mit dem Fingerknöchel über meinen geschorenen Schädel. Es klang, als würde ich über ein Stück Holz aus der Lagerwerkstatt reiben. «Darf ich offen sprechen, Herr Major?»
«Nur zu, Hauptmann.»
«Ich weiß nicht, was Sie mit dem Mann vorhaben. In Anbetracht dessen, wer und was er ist, kann ich mir vorstellen, dass Sie vor einem Problem stehen. Er war Gebhardts Mann, aber was nützt er Ihnen jetzt noch, Herr Major? Nun, da Sie wissen, was er getan hat. Er könnte Gebhardt zwar als Antifa-Offizier ersetzen, wenn sein Russisch nicht so schlecht wäre. Aber selbst dann müssten Sie ihn erst mal zur politischen Umerziehung schicken. So oder so ist er im Lager erledigt. Das sollten Sie sich klarmachen, Herr Major.»
«Sind Sie nicht ein wenig voreilig, Gunther? Sie haben noch nichts bewiesen. Selbst wenn ich bei Metelmann markierte Geldscheine fände, wer sagt mir denn, dass das Geld nicht schon in seinem Besitz war, ehe Gebhardt ermordet wurde? Und haben Sie schon an die Möglichkeit gedacht, dass ich, falls dieser Mann wirklich ein Informant ist, mehr davon hätte, ihn hierzubehalten und stattdessen Sie und den Oberst aus dem Lager schaffen zu lassen?»
«An die Möglichkeit habe ich gedacht, jawohl, Herr Major. Natürlich könnten Sie das ohne weiteres tun. Aber wer weiß, ob wir nicht bereits allen unseren Kameraden erzählt haben, was ich Ihnen gerade erzählt habe. Das ist schon mal ein Grund, warum Sie nichts davon hätten, uns in ein anderes Lager zu schicken. Ein anderer Grund ist, dass der Herr Oberst als ranghöchster deutscher Offizier ausgezeichnete Arbeit leistet. Die Männer hören auf ihn. Bei allem Respekt, Herr Major: Sie brauchen ihn.»
Major Sawostin sah den Oberst an. «Vielleicht hat er recht», sagte er.
Ich zuckte die Achseln. «Was die Frage betrifft, ob die Beweise Sie überzeugen, nun, das liegt ganz bei Ihnen. Ich habe Ihnen eine Pistole auf einem Silbertablett serviert. Erwarten Sie nicht von mir, dass ich auch noch selbst abdrücke. Aber falls Sie beschließen, Metelmann zu durchsuchen, sollten Sie ihn vielleicht nach dem Namen seiner Frau fragen.»
«Wieso das?»
«Konrad Metelmanns Frau heißt Vera, Herr Major.» Ich reichte Sawostin den Ring, den ich gefunden und für Gebhardts Ehering gehalten hatte. «Innen ist eine Gravur.»
Sawostins Augen verengten sich, als er las, was innen in dem Goldreif stand. «Für Konrad, in Liebe, Vera. Februar 1943.» Er sah mich an.
«Der steckte an Gebhardts Ringfinger. Der Finger war gebrochen, ich glaube, weil Metelmann vergeblich versucht hat, Gebhardt den Ring vom Finger zu ziehen, nachdem er ihn ermordet hatte. Jedenfalls musste ich Seife benutzen, um ihn abzubekommen.»
«Vielleicht hat Gebhardt ihn Metelmann abgekauft.»
«Gebhardt hat ihn gekauft, wohl wahr. Aber bestimmt nicht von Metelmann. Der hat seinen Ring wochenlang im Hintern versteckt. Dann
Weitere Kostenlose Bücher