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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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bloß den Mann verhaften, den Sie identifizieren. Dazu muss man ja wohl kein toller Hecht sein,
n’est-ce pas?
» Er grinste. «Sie könnten ihm ja ein paar Tipps geben. Ihm Ihre kriminalistischen Geheimnisse verraten.»
    «Die sind auch ganz simpel», sagte ich. «Ich bin morgens aufgestanden und abends ins Bett gegangen. Und in der Zwischenzeit hab ich versucht, meine Arbeit zu erledigen und mir keinen Ärger einzuhandeln.»
    «Wirklich? Mehr haben Sie nicht zu bieten? Nach so vielen Jahren bei der Kripo?»
    «Jeder Narr kann eine Straftat aufklären, Monsieur. Sie zu beweisen, darin liegt die Herausforderung.»
    Möller bahnte sich wieder seinen Weg durch die Menge in Richtung Bahnhofstür, kam aber kaum von der Stelle. Er blickte hoch, und als er Vigée und dann mich sah, warf er die Hände hoch und verdrehte hilflos die Augen.
    Ich lächelte und nickte freundlich, als hätte ich vollstes Verständnis für sein Problem. Doch während ich ihn ansah, versuchte ich abzuschätzen, mit was für einer Sorte Polizist ich es zu tun hätte, wenn Walter Bingel mich am nächsten Morgen als Kollaborateur und Verräter identifizieren würde.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 34 DEUTSCHLAND 1954
    Wir warteten, bis alle Spätheimkehrer zum Lager abmarschiert waren und die meisten Einheimischen den Bahnhof verlassen hatten. Ich glaube, Vigée war beeindruckt, dass ich bis ganz zum Schluss bleiben wollte, aber natürlich ahnte er nicht, was der eigentliche Grund war: Ich wollte mich möglichst unsichtbar machen. Ehe wir in den Citroën stiegen, der uns zurück nach Göttingen bringen würde, reichte Möller mir eine zwanzig Seiten lange Liste mit Namen, Rängen und Erkennungsnummern.
    «Das sind die Männer, die im Zug waren», sagte er überflüssigerweise.
    Ich steckte die Liste in die Jackentasche, sah mich in der Bahnhofshalle um und schaute ein letztes Mal zum Bahnsteig hinüber, wo noch einige wenige bis zum bitteren Ende ausharrten und nicht wahrhaben wollten, dass sich jede Hoffnung, einen verschollenen Angehörigen wiederzusehen, zerschlagen hatte. Manche weinten. Andere saßen einfach nur allein da, in stiller, stoischer Trauer. Ich hörte eine Stimme sagen: «Beim nächsten Mal, Frau Kettenacher. Beim nächsten Mal ist er bestimmt dabei. Es heißt, in einem Jahr sind alle wieder zu Hause. Und dass die SS erst ganz zum Schluss drankommt.»
    Behutsam half der Besitzer der Stimme – ein Pastor, so schien mir – einer alten Frau auf die Beine, hob ihr Schild mit der Vermisstenbeschreibung vom Boden auf und führte sie Richtung Ausgang.
    Wir folgten in respektvollem Abstand.
    «Die Ärmste», murmelte Möller. «Ich weiß, wie sie sich fühlt. Mein älterer Bruder ist noch in Gefangenschaft.»
    «Warum haben Sie das nicht gesagt?», fragte ich. «Er hätte heute dabei sein können, oder?»
    Möller zuckte die Achseln. «Ich hatte es irgendwie gehofft. Das war ein Grund, warum ich mich für die Sache hier gemeldet habe. Seit ich das Lager hier gesehen hab, bin ich mir unsicher, ob ich ihn an so einem Ort würde sehen wollen. So sollte man unsere Männer nicht behandeln. Finden Sie nicht auch?»
    Ich nickte.
    «So schlecht geht’s ihnen gar nicht», schaltete Grottsch sich ein. «Beim Lagerleiter laufen jede Woche Hunderte Briefe von alleinstehenden Frauen aus ganz Deutschland auf, die einen neuen Ehemann suchen.»
    Wir fünf quetschten uns in den Wagen und fuhren los ins ungefähr fünfzehn Kilometer entfernte Göttingen.
    Ich saß auf der Rückbank und überflog im Licht der Deckenleuchte die Namensliste auf der Suche nach anderen aus Johanngeorgenstadt. Und es dauerte nicht lange, bis ich fündig wurde: SS -Obergruppenführer Fritz Klause, der ranghöchste deutsche Offizier im Lager. Es sah so aus, als wäre die Strahlung im Lager nicht annähernd so gefährlich gewesen, wie man mir weisgemacht hatte. Andererseits kann der Hass auf den Feind zu einer wärmenden Decke werden, die einen Mann sogar einen russischen Winter überleben lässt.
    «Ich wünschte, mir würde eine Frau schreiben und mich bitten, sie zu heiraten», sagte Wenger, der am Steuer saß. «Oder mir zumindest anbieten, den Platz von der Frau an meiner Seite einzunehmen, mit der ich mich momentan rumplagen muss.»
    «Ich frage mich, was sie von dem neuen Deutschland halten werden», sagte Möller.
    «Wahrscheinlich ist es ihnen nicht deutsch genug», sagte Grottsch. «Jedenfalls war das mein Eindruck, als ich aus britischer Gefangenschaft zurückkam.

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