Mission Walhalla
nicht wundern, wenn es ihre Frauen nötig hatten, ein bisschen versüßt zu werden.
Kurz nach meiner Ankunft in Landsberg hatte Hermann Prieß, der während der Ardennenoffensive Kommandeur der am Malmedy-Massaker beteiligten SS -Truppen war, mir von ähnlich brutalen Behandlungen durch die Amerikaner berichtet. Ehe sie wegen der Ermordung neunzig amerikanischer Soldaten vor Gericht gestellt wurden, hatte man Prieß, Peiper und vierundsiebzig anderen Männern Kapuzen übergezogen, sie geschlagen und gezwungen, Geständnisse zu unterzeichnen. Der Vorfall hatte am Internationalen Gerichtshof und im US -Senat für allerhand Aufregung gesorgt. Da ich bislang keine wirklichen Schläge eingesteckt hatte, war es vielleicht noch ein bisschen früh, um beurteilen zu können, ob das amerikanische Militär seitdem seine Lektion in Sachen Menschenrechte gelernt hatte, aber eigentlich hatte ich unter meiner Kapuze nicht den Eindruck.
«Glückwunsch, Gunther. So lange hat hier noch keiner mit einem Sack über dem Kopf den Mund gehalten.»
Der Mann sprach Deutsch, sogar ziemlich gutes Deutsch, aber es war weder Silverman noch Earp.
Vorläufig schwieg ich weiter. Was hätte ich auch sagen sollen? Bei Vernehmungen kann man sich auf eines verlassen: Früher oder später wird dir mit Sicherheit irgendwer eine Frage stellen.
«Ich hab mir die Akten angeschaut», sagte der Mann. «Ihre Akten. Die Silverman und Earp angelegt haben. Übrigens, bei Ihrer weiteren Befragung werden Sie auf die Anwesenheit der beiden verzichten müssen. Die sind nämlich nicht damit einverstanden, wie wir die Dinge hier handhaben.»
Ich rechnete damit, dass Worte nicht alles waren, was ich hier zu erwarten hatte, und machte mich, während er sprach, auf den Schlag gefasst. Einer der anderen Gefangenen hatte mir erzählt, dass er in Schwäbisch Hall eine Stunde lang von den Amis verprügelt worden war, weil die ihn dazu bringen wollten, Jochen Peiper zu belasten.
«Entspannen Sie sich, Gunther. Es wird Sie niemand schlagen. Solange Sie mit uns zusammenarbeiten, haben Sie nichts zu befürchten. Die Kapuze dient nur meinem Schutz. Außerhalb der Gefängnismauern könnte es für uns beide unangenehm sein, wenn Sie mich wiedererkennen. Ich arbeite nämlich für die Central Intelligence Agency.»
«Und was ist mit Ihrem Freund? Dem anderen Mann hier im Raum? Ist der auch bei der CIA ?»
«Sie haben gute Ohren, Gunther, das muss man Ihnen lassen», schaltete sich der andere Ami ein. «Vielleicht haben Sie’s denen zu verdanken, dass Sie noch am Leben sind.» Auch sein Deutsch war gut. «Ja, ich bin ebenfalls bei der CIA .»
«Glückwunsch. Ihre Eltern sind bestimmt mächtig stolz auf Sie.»
«Nein, nein. Sie sind zu beglückwünschen, Gunther. Silverman und Earp haben Sie von jeglichen kriminellen Missetaten freigesprochen.» Jetzt ergriff wieder die erste Stimme das Wort. «Die beiden sind überzeugt, dass Sie niemanden ermordet haben. Zumindest nicht nach den Maßstäben, die für all die anderen gelten, die hier einsitzen.» Er lachte. «Ich weiß. Das heißt nicht viel. Aber Fakt ist: Wenn es nach Uncle Sam geht, sind Sie kein Kriegsverbrecher.»
«Na, da bin ich aber erleichtert», sagte ich. «Wenn ich keine Handschellen anhätte, würde ich jetzt glatt applaudieren.»
«Uns wurde gesagt, dass Sie ein freches Mundwerk haben. Und es stimmt. Ansonsten aber sind Silverman und Earp ein bissen naiv. Was Sie betrifft, meine ich.»
«Im Laufe der Jahre», sagte der andere, «hatten wir so unsere Probleme mit Ihnen. Wussten Sie das?»
«Freut mich, das zu hören.»
«In Garmisch-Partenkirchen. In Wien. Und wir beide sind uns übrigens schon mal begegnet. Im Militärlazarett der Stiftskaserne, klingelt’s bei Ihnen?»
«Damals konnten Sie noch kein Deutsch», sagte ich.
«Doch, konnte ich. Aber ich habe es vorgezogen, Sie und den Offizier der amerikanischen Army, Roy Shields, darüber im Unklaren zu lassen.»
«Ich erinnere mich. Als wäre es gestern gewesen.»
«Das glaub ich gern.»
«Nicht zu vergessen unser gemeinsamer Freund Jonathan Jacobs.»
«Wie geht’s ihm denn? Ich hoffe, er ist tot.»
«Nein. Aber er behauptet noch immer steif und fest, Sie hätten versucht, ihn umzubringen. Angeblich hat er eine Schachtel mit Malariamücken im Fond seines Buick gefunden. Er kann von Glück sagen, dass sie alle erfroren waren.»
«Ein Jammer.»
«Deutsche Winter können gnadenlos sein.»
«Nicht gnadenlos genug, wie mir scheint», sagte ich.
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