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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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sehr gut informiert. Wie kommt es, dass Sie so viel darüber wissen, Gunther? Über Mielke. Und das ganze verdammte deutsche Kommunistenpack.»
    «Er war nun mal eine ganze Zeit lang mein Bier, wie man so schön sagt. Bis 1946 gab es kaum etwas, was ich nicht über Erich Mielke wusste.»
    «Und danach?»
    «Und danach ist er fast aus meinen Gedanken verschwunden, bis die Anwälte vom Büro des Chief Counsel seinen Namen fallenließen. Glauben Sie mir, ich wünschte, ich hätte ihn nie wieder gehört.»
    «Haben Sie aber. Und deshalb sind Sie hier.»
    «Als ich ihn das letzte Mal sah, war er – arbeitete er für die GPU , nachdem die zum NKWD umgewandelt worden war. Das ist sieben Jahre her.»
    «Haben Sie schon mal was vom ostdeutschen Staatssekretariat für Staatssicherheit gehört?»
    «Nein.»
    «Manche Deutsche bezeichnen es als die Stasi. Ihr Freund Erich ist stellvertretender Leiter der Staatssicherheit. Ein Geheimpolizist und wahrscheinlich einer der drei wichtigsten Männer im ostdeutschen Sicherheitsapparat, wenn nicht des ganzen Landes.»
    «Er hat Stalin überlebt, Beria und sogar den Sturz von Wilhelm Zaisser nach dem Arbeiteraufstand letztes Jahr in Berlin. Ihr Freund Mielke ist ein richtiger Überlebenskünstler.»
    Mir war schwindelig. «Ich glaub, ich werde ohnmächtig», war alles, was ich sagen konnte.
    «Im Februar 1947 hat der Alliierte Kontrollrat versucht, ihn zu verhaften, aber die Russen haben das nicht zugelassen …»
    Ich hörte nicht mehr zu. Ich hatte keine Lust mehr, aber vor allem gab es nichts mehr zu hören außer dem Klingeln in meinen Ohren von dem Schlag, den Erich Mielkes Vater mir vor dreiundzwanzig Jahren verpasst hatte. Dann spürte ich irgendwas Kaltes und Schweres neben meinem Kopf, und ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass es der Fußboden war. Das taube Gefühl in meinen Händen breitete sich wie Gift im ganzen Körper aus. Die Kapuze über meinem Kopf schien immer enger zu werden, als ziehe sich ein Galgenstrick um meinen Hals zu. Ich bekam kaum Luft, aber das war mir egal. Alles war mir jetzt egal. Ich machte den Leichensack auf und stieg hinein. Dann wurde der Sack von einer Brücke geworfen. Ich spürte, wie ich durch die Luft fiel. Dreiundzwanzig Jahre lang. Als ich endlich unten aufschlug, hatte ich vergessen, wer und was und wo ich war.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 14 DEUTSCHLAND 1954
    Ich wurde getragen. Dann verlor ich erneut das Bewusstsein. Als ich zu mir kam, lag ich bäuchlings auf einem Bett, sie hatten mir die Fesseln abgenommen, und ich hatte wieder Gefühl in den Händen. Dann richteten sie mich auf und ließen mich eine kurze Zeit stehen. Ich hatte Durst, bat aber nicht um Wasser. Ich rechnete damit, angeschrien oder geschlagen zu werden, sodass ich leicht zusammenzuckte, als sich mir eine Decke über die Schultern legte und ein Stuhl sich unter meine nackten Beine schob. Und als ich mich setzte, zog man mir die Kapuze vom Kopf.
    Ich befand mich in einer Zelle, die größer und etwas komfortabler eingerichtet war als meine eigene. Auf einem kleinen Tisch war eine Topfpflanze verendet. An der gegenüberliegenden Wand zeichnete sich ein Schatten ab, wo mal ein Bild gehangen hatte, und vor dem vergitterten Doppelfenster stand ein Waschtisch mit einem Krug und einem Porzellanbecken.
    Mein Blick fiel auf zwei Männer, die in ihren doppelreihigen Anzügen und mit ihren Seidenkrawatten gar nichts von einem Folterknecht hatten. Der eine trug eine Hornbrille auf der Nase, dem anderen klemmte eine Kirschholzpfeife unangezündet zwischen den Zähnen. Der mit der Pfeife griff nach dem Wasserkrug, goss etwas Wasser in ein verstaubtes Glas und reichte es mir. Ich hätte ihm gern das Wasser ins Gesicht geschüttet, doch stattdessen nahm ich einen gierigen Schluck. Der mit der Brille zündete eine Zigarette an und schob sie mir zwischen die Lippen. Ich sog den Rauch ein wie ein Kind die Muttermilch.
    «Dann hab ich wohl gesagt, was ihr hören wolltet.» Ich grinste schwach.
    Durch das Fenster im ersten Stock sah man auf den Garten und das konische Dach eines weißen Türmchens in der Gefängnismauer. Soweit ich wusste, war das keine Aussicht, die in Landsberg je einer der Rotjacken vergönnt gewesen wäre. Ich blinzelte ebenso gegen die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen, wie gegen den Rauch, der mir in die Augen drang, strich mir müde übers Kinn und nahm die Zigarette aus dem Mund.
    «Möglich», sagte der mit der Pfeife. Die Form seines

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