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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Breitscheid und Hilferding zu verhaften war etwas völlig anderes.
    «Wir hoffen, die Anwesenheit des Kommissars in Arles wird jeden Widerstand brechen», fügte Bömelburg hinzu und zeigte mir eine von ihm zusammengestellte Liste mit den Namen der anderen Gesuchten. Mielke war der zweite von oben, darüber stand nur Willi Münzenberg, ein Komintern-Agent, der eine führende Rolle unter den emigrierten deutschen Kommunisten spielte. Andere Namen waren mir weniger bekannt.
    «Wie ich sehe, hat unser Flugzeug nur fünf Plätze», sagte ich zu Bömelburg. «Wie soll ich darin meinen Gefangenen zurück nach Paris bringen?»
    «Kommt drauf an. Falls wir tatsächlich Grynszpan und Mielke und noch ein paar von den anderen aufgreifen, müssen wir sie möglicherweise von den Franzosen zuerst nach Vichy schaffen lassen und dann beantragen, sie über die Grenze auszuliefern. Das schlägt jedenfalls Kommissar Matignon vor. Deshalb hat er dafür gesorgt, dass wir uns in Biarritz mit einem französischen Anwalt treffen.»
    «Die Sache gestaltet sich doch wohl komplizierter, als wir dachten», sagte Kestner mürrisch. «Wie sich herausgestellt hat, kann die verdammte Kundt-Kommission nicht vor Ende August in die Lager. Und wenn wir so lange warten, haben diese kommunistischen Judenschweine jede Menge Zeit, uns zu entwischen. Wir müssen also im Moment mit äußerster Vorsicht agieren. Wir sollten eigentlich gar nicht hier sein.»
    Der Flug gestaltete sich zwar unkomplizierter, als ich erwartet hatte, trotzdem konnte ich mich nicht entspannt auf diese neue Reiseerfahrung einlassen. Die Luft war voller Schlaglöcher. Die letzten vierzig Minuten der zweistündigen Reise flogen wir die französische Küste und den Golf von Biskaya entlang. Man sah der Stadt Biarritz schon von der Luft aus an, was sie war: ein luxuriöses Seebad. Es war ein heißer Tag, und der Strand wimmelte von Menschen, die es sich trotz der neuen deutschen Regierung gutgehen lassen wollten. Als ich die hohen Wellen sah, die dort auf den Strand brandeten, war ich doch froh, nicht mit dem Schiff gekommen zu sein. Unter den steilen Klippen vor der Küste sah der Ozean aus wie aufgeschäumte Milch. Mir wurde schon vom Hinsehen übel, obwohl das in Wahrheit wohl eher damit zusammenhing, was ich gerade über die beiden Rudolfs erfahren hatte. Davon konnte einem wirklich schlecht werden.
    «Münzenberg kann ich noch verstehen», sagte ich. «Grynszpan auch. Aber wieso die Rudolfs?»
    «Hilferding ist einer von diesen jüdischen Intellektuellen», sagte Bömelburg. «Ganz zu schweigen davon, dass er als Finanzminister mit den jüdischen Bankiers im Bunde stand, die die Weltwirtschaftskrise mit verursacht haben. Aber die Sache betrifft eher die Franzosen. Daran, wie sie die Sache handhaben, wird sich zeigen, wie entschlossen die Vichy-Regierung ist, sich als Verbündete der Deutschen zu bewähren. Wird interessant sein, zu sehen, was passiert. Wieso fragen Sie? Haben Sie irgendwelche Einwände gegen seine Verhaftung?»
    Im diesem Moment sackte das Flugzeug ab, wie ein defekter Fahrstuhl. Ich spürte, wie mir der Magen in die Brust stieg. Am liebsten hätte ich dem Sturmbannführer auf den Schoß gekotzt. Er griff in seine Uniformjacke und holte einen Flachmann heraus.
    «Ich? Nein, ich bin einfach nur ein altmodischer Polizist. Sie wissen schon. Ohne den nötigen Weitblick. Ich sehe alles Mögliche, unternehm aber nie was dagegen.»
    Bömelburg trank einen Schluck aus dem Flachmann und hielt ihn mir hin. «Auch einen?»
    «Das ist das Vernünftigste, was ich höre, seit ich in diese Blechkiste gestiegen bin.»
    Am Flughafen Bayonne warteten vier Kübelwagen auf uns, sechs SS -Sturmmänner und der französische Anwalt. Die SS -Männer waren gut gelaunt und entspannt, wie Männer das nun mal sind, wenn sie in knapp sechs Wochen einen Krieg gewonnen haben. Der Anwalt hatte eine große Nase, dicke Brillengläser und so krauses Haar, dass es schon albern aussah. Ich hatte den Eindruck, dass er Jude war, aber keiner fragte nach meiner Meinung. Jedenfalls war er schreckhaft und nervös. Er zündete sich eine Zigarette hinter vorgehaltenem Jackenaufschlag an, damit der Wind ihm nicht das Streichholz ausblies, und der Rauch quoll aus seinem Ärmel.
    Es war ein richtiges Bestiarium, wie den Werken Hesiods entsprungen, das dann von Biarritz aus weiter nach Osten fuhr. Ich saß im ersten Kübelwagen, und wir brausten so schnell dahin, als wären wir ohnehin immun gegen die Schönheit

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