Mission Walhalla
der französischen Landschaft. Unterwegs sahen wir entlassene französische Soldaten, die uns teilnahmslos betrachteten, weder feindselig noch begeistert. Wir sahen auch bergeweise liegengebliebene militärische Ausrüstung – Gewehre, Helme, Munitionskisten, sogar ein paar Artilleriegeschütze. Gleich hinter dem Dorf St.-Palais überquerten wir die Demarkationslinie in das Frankreich der Vichy-Regierung. Aber so nah an der spanischen Grenze waren die Franzosen nicht sonderlich beliebt, wie ich von Oberinspektor Oltramare erfuhr, der besser Deutsch sprach, als ich zunächst gedacht hatte. «Die Schweinehunde hassen uns Franzosen sogar noch mehr als euch Deutsche», erklärte er mir. «Sie sprechen kaum Französisch. Sie sprechen kaum Spanisch. Wer weiß, ob sie überhaupt Baskisch sprechen.»
Wir überholten etliche Zivilfahrzeuge, die Gepäckberge auf dem Dach transportierten und Richtung Toulouse fuhren.
«Wieso sind die Leute auf der Flucht?», fragte ich Oltramare. «Wissen die denn nichts von dem Waffenstillstand?»
Oltramare antwortete mit einem Achselzucken, aber als wir den nächsten Wagen überholten, lehnte er sich hinüber und fragte die Insassen, wohin sie wollten. Als sie antworteten, nickte er höflich und bekreuzigte sich.
«Sie kommen aus Biarritz», sagte er. «Und sie wollen nach Lourdes. Um für Frankreich zu beten.» Er lächelte. «Da müsste schon ein Wunder geschehen.»
«Glauben Sie nicht an Wunder?»
«O doch. Deshalb glaube ich ja an Adolf Hitler. Er ist der Mann, der Europa vor dem Fluch des Bolschewismus bewahren kann. Daran glaube ich.»
«Vermutlich hat er deshalb mit Stalin einen Pakt geschlossen», sagte ich. «Um uns alle vor dem Bolschewismus zu bewahren.»
«Selbstverständlich», sagte Oltramare, als läge das auf der Hand. «Sie wissen doch, was im August 1914 passiert ist. Deutschland spekulierte darauf, Frankreich zu besiegen, ehe Russland mobilmachen und den Krieg erklären konnte. Damals zogen die Deutschen den Kürzeren. Dieses Mal war der Angriff gegen Frankreich durch den Molotow-Ribbentrop-Pakt weit weniger riskant. Und merken Sie sich meine Worte, Hauptsturmführer. Jetzt, da Frankreich besiegt wurde, ist die Sowjetunion, der wahre Feind westlicher Demokratie, als Nächstes dran.»
In dem kleinen Ort Navarrenx kreuzten einige deutsche Panzer und ein paar Wagenladungen SS unseren Weg, daher hielten wir kurz an, um ein bisschen zu plaudern und eine Zigarette zu rauchen. Oltramare ging in einen Laden, um Streichhölzer zu kaufen, und erfuhr, dass es keine mehr gab. Es gab überhaupt nichts mehr – keine Lebensmittel, kein Gemüse, keinen Wein und keine Zigaretten. Als er zum Wagen zurückkam, schimpfte er über die Einheimischen.
«Ich wette, diese Mistkerle bunkern, was sie haben, und warten darauf, dass die Preise hochgehen, damit sie uns ausnehmen können», sagte er.
«Würden Sie das nicht genauso machen?», fragte ich.
Während ich mich mit ihm unterhielt, kamen etliche Frauen aus dem Rathaus, fast ausschließlich deutsche Frauen, wie sich herausstellte. Sie waren im nahegelegenen Lager Gurs interniert gewesen, wohin man sie aus ganz Frankreich gekarrt hatte. Sie zeigten sich ziemlich empört über die Bedingungen dort, waren aber auch aufgebracht, weil man ihnen befohlen hatte, das Gebiet zu verlassen oder aber woanders erneut als feindliche Ausländer interniert zu werden. Um genau das zu verhindern, war die SS in Navarrenx geblieben. Das Lager Gurs, so sagte man uns, war schwer zu finden, daher erklärten sich ein paar SS -Männer und eine der Frauen bereit, uns den Weg zu zeigen. Unterdessen begann der französische Anwalt, Monsieur Savigny, mit Kommissar Matignon und Sturmbannführer Bömelburg über die Anwesenheit von SS -Truppen in der unbesetzten Zone zu debattieren.
«Wenn Sie mich fragen, sollten Sie den Mann erschießen», sagte Oltramare hinterher zu Bömelburg. «Ja, ich glaube, das wäre am besten. Offen gestanden, ich wundere mich, dass Sie nicht mehr Franzosen erschossen haben. Ich selbst hätte jede Menge erschossen. Vor allem diejenigen, die dieses Land geführt haben. Sie zu strafen wäre ein Gnadenakt gewesen. Sie laufenzulassen war barbarisch und grausam. Ehrlich, ich verstehe nicht, warum Sie sich die Mühe machen, Gefangene nach Deutschland zu schaffen, wenn Sie sie einfach hier am Straßenrand erschießen und sich damit sehr viel Zeit und Mühe ersparen könnten.»
Ich schüttelte stirnrunzelnd den Kopf angesichts eines
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