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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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unbedingt einen Prozess», sagte Bömelburg. «Unter allen Umständen.»
    «In Berlin?» Ich versuchte, nicht allzu überrascht zu klingen.
    «Wieso denn nicht in Berlin?», fragte Bömelburg.
    «Ich dachte nur», sagte ich. «Weil der Mord ja in Paris geschehen ist. Außerdem ist Grynszpan, soweit ich weiß, nicht mal Deutscher. Er ist doch Pole, oder?» Ich lächelte einfältig. «Sie müssen entschuldigen, Sturmbannführer, aber manchmal kann ich einfach nicht aufhören, wie ein Polizist zu denken und mir über solche Kleinigkeiten wie zuständige Gerichtsbarkeiten den Kopf zu zerbrechen.»
    Bömelburg fuchtelte mit dem Finger in der Luft herum. «Sie tun nur Ihre Arbeit, mein Lieber. Aber ich kenne die Hintergründe besser als jeder andere. Ehe ich zur Gestapo ging, war ich bei unserem auswärtigen Dienst in Paris tätig und habe drei Monate an diesem Fall gearbeitet. Zum einen ist Polen jetzt Teil unseres Großdeutschen Reiches. Ebenso wie Frankreich. Zum anderen wurde der Mord in der deutschen Botschaft in Paris begangen. Theoretisch, unter diplomatischen Gesichtspunkten, war das deutscher Grund und Boden. Und das macht einen gewaltigen Unterschied.»
    «Ja, natürlich», sagte ich kleinlaut. «Das macht in der Tat einen gewaltigen Unterschied.»
    Auf jeden Fall machte es einen Unterschied für die Juden in Deutschland. Herschel Grynszpans Mord an einem jungen Sekretär in der Pariser Botschaft im November 1938 hatten die Nazis zum Anlass genommen, ein gewaltiges Pogrom gegen Deutschlands Juden zu entfachen. Nach der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 – der sogenannten Kristallnacht – glaubte ich nicht mehr ernsthaft daran, in einem zivilisierten Land zu leben. Der Prozess würde mit Sicherheit nach Nazi-Manier ablaufen: ein Schauprozess, bei dem das Urteil schon vorher feststand. Aber falls Bömelburg die Wahrheit sagte, würde Grynszpan wenigstens nicht irgendwo am Straßenrand erschossen werden.
    Während Kestner, Matignon und Savigny sich auf den Weg zum Gefängnis St. Michel in Toulouse machten, brachen Bömelburg, Oltramare und ich in Begleitung von sechs SS -Männern zu dem fünfundsechzig Kilometer entfernten Le Vernet auf. Frau Kemmerich kam nicht mit, da sich inzwischen herausgestellt hatte, dass sich ihr Mann vermutlich in einem weiteren französischen Internierungslager in Moisdon-la-Rivière, in der Bretagne, aufhielt.
    Le Vernet lag bei Pamiers, und das Lager war unweit des dortigen Bahnhofs angelegt worden, was Bömelburg «eine praktische Sache» fand. Nördlich des Lagers gab es einen Friedhof, aber ich verkniff mir die Frage, ob das nicht auch «eine praktische Sache» sei, was es aber bestimmt tatsächlich war, denn Le Vernet war noch schlimmer als Gurs. Umgeben von kilometerlangem Stacheldrahtzaun in einem öden Winkel der französischen Landschaft, sahen die vielen Baracken aus wie riesige Särge. Sie befanden sich in einem ebenso bedauernswerten Zustand wie die zweitausend ausgezehrten Gefangenen, die hier von wohlgenährten französischen Gendarmen bewacht wurden. Die Inhaftierten mussten Schwerstarbeit leisten, um eine holprige Straße vom Bahnhof zum Friedhof zu bauen. Viermal am Tag hatten sie zum Appell anzutreten, der jeweils eine halbe Stunde dauerte. Wir trafen kurz vor dem dritten Appell ein, erklärten dem Leiter des Lagers unser Anliegen, worauf er uns höflich an einen hässlichen, stark nach Anis riechenden Offizier und dessen gelbgesichtigen korsischen Adjutanten verwies. Sie hörten aufmerksam zu, während Oltramare ihnen die Einzelheiten unserer Mission erläuterte. Monsieur Anislikör nickte und ging voraus.
    Bömelburg und ich folgten mit gezückter Pistole, weil man uns gewarnt hatte, dass die Männer von Baracke zweiunddreißig, der «Leprabaracke», als die gefährlichsten im ganzen Lager galten. Oltramare folgte mit ein wenig Abstand, ebenfalls die Waffe in der Hand. Und dann warteten wir vor dem Eingang, während einige Gendarmen die stockfinstere Behausung betraten und die Insassen unter Beschimpfungen und Peitschenhieben nach draußen trieben.
    Die Männer waren in einem erbärmlichen Zustand – schlimmer als in Gurs und Dachau zusammen. Ihre Knöchel waren geschwollen und ihre Bäuche vom Hunger aufgedunsen. Sie trugen billige Gummischuhe und zerlumpte Kleidung, die ihnen wahrscheinlich schon am Leib hing, seit sie im Winter 1937 vor den vorrückenden Nationalistentruppen Francos geflohen waren. Manche von ihnen waren halb nackt, alle von Ungeziefer

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