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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Problem auf der Welt, das nicht die Zeit irgendwann, auf irgendeine Weise unbedeutend erscheinen läßt.«
    »Das ist so, als wolltest du sagen, ein Tumor in deinem Hirn wird besser, solange du nur nicht dran denkst.«
    In der Küche war es still. Ich konnte die Eichelhäher in den Mimosenbäumen hören und den Flügelschlag der Enten auf dem Teich, als Alafair Brotkrümel auf ihre Köpfe regnen ließ. Annie wandte sich von mir ab, wickelte die letzten Brathähnchenstücke, ein, verschloß den Picknickkorb und ging hinaus zum Teich. Die Fliegendrahttür schlug laut hinter ihr zu.
    An diesem Abend war wegen des Baseballspiels eine große Menschenmenge im Park, und die Brandschutzleute kochten in dem offenen Pavillon Kessel voller Flußkrebse. Der abendlich dämmernde Himmel war lila und rosa gestreift, und der Wind aus Süden war kühl und kündigte Regen an. Wir aßen unser Picknick an einem Holztisch unter den Eichen, schauten dem Spiel der American Legion zu und den Gruppen von Jugendlichen aus den High Schools und Colleges, die zwischen den Zuschauersitzen und Heckklappen der Pickups hin und her liefen, wo sie in Waschzubern voll Eis ihr Bier kalt hielten. Draußen auf dem Bayou glitt der Vergnügungsraddampfer mit seinen hellerleuchteten Decks vor der dunklen Silhouette von Zypressen und Kolonialstilvillen am anderen Ufer vorbei. In den Bäumen hing der Rauch von Barbecue-Feuern und man konnte die Flußkrebse vom Pavillon und die heißen boudin riechen, die ein Schwarzer von einem Handkarren verkaufte. Dann hörte ich, wie eine Cajun-Band im Pavillon »Jolie Blonde« anstimmte, und mir war zumute, als schaute ich noch einmal durch ein Loch in der Zeit auf jenes Südlouisiana, in dem ich aufgewachsen war.
Jolie blonde, gardez donc c’est t’as fait.
    Tu m’as quit-té pour t’en aller,
    Pour t’en aller avec un autre que moi.
    Jolie blonde, pretty girl,
    Flower of my heart,
    I’ll love you forever
    My jolie blonde.
    Aber nur selten redeten Annie und ich direkt miteinander. Statt dessen plapperten wir aufgeräumt mit Alafair, begleiteten sie zu den Schaukeln und Wippen, kauften Eistüten und vermieden es, einander in die Augen zu sehen. An diesem Abend liebten wir uns in der fast anonymen Dunkelheit unseres Schlafzimmers. Wir taten es aus Not, mit geschlossenen Augen, ohne Worte und mit einem Kuß erst am Schluß. Als ich, die Arme über die Augen gelegt, auf dem Rücken lag, spürte ich, wie ihre Finger von meinem Handrücken glitten, spürte, wie sie sich mit dem Rücken zur Wand von mir wegdrehte, und fragte mich, ob ihr Herz genauso schwer war wie meines.
    Eine halbe Stunde später wachte ich auf. Im Zimmer war es kühl von der Nachtluft, die vom Ventilator im oberen Fensterflügel angesaugt wurde, doch meine Haut fühlte sich heiß an, als hätte ich einen Sonnenbrand. Die genähte Stelle an meiner Kopfhaut juckte. Die Handflächen lagen feucht auf meinen Schenkeln, als ich mich an der Bettkante aufsetzte.
    Ohne Annie aufzuwecken, wusch ich mir das Gesicht, zog mir Khakihosen und ein altes Hawaiihemd an und ging hinunter zum Fischködergeschäft. Der Mond war aufgegangen, und die Weiden entlang dem Ufer des Bayou waren in silbriges Licht getaucht. Ich setzte mich im Dunkeln an die Ladentheke, starrte durchs Fenster hinaus aufs Wasser und auf die Boote mit den Außenbordmotoren und die Kanus, die sacht gegen die Pfähle des Anlegestegs stießen. Dann stand ich auf, öffnete die Kühltruhe mit dem Bier, nahm eine Handvoll Eisstücke heraus und rieb mir damit über Gesicht und Nacken. Die bernsteinfarbenen Hälse der Bierflaschen schimmerten im Mondlicht. Die glatten Aluminiumkappen, die naßglänzenden Etiketten, die messingfarbenen Kohlensäureperlen im Inneren der Flaschen waren wie ein beleuchtetes nächtliches Stilleben. Ich klappte die Truhe zu, drehte die Glühbirne über der Theke ein und verlangte die Auskunft in Lafayette, um mir Minos P. Dautrieves Privatnummer geben zu lassen.
    Kurze Zeit später hatte ich ihn am Apparat. Ich schaute auf die Uhr. Es war Mitternacht.
    »Was tut sich denn so, Dunkenstein?« fragte ich.
    »Oh, Mann!«, sagte er.
    »Tut mir leid, daß ich so spät anrufe.«
    »Was wollen Sie, Robicheaux?«
    »Wo sind diese Clubs, deren Besitzer Eddie Keats ist?«
    »Haben Sie mich angerufen, um mich danach zu fragen?«
    Ich antwortete ihm nicht und konnte hören, wie er tief Atem holte.
    »Das letztemal, als wir miteinander geredet haben, haben Sie einfach aufgelegt«, sagte er.

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