Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
ich keine Ahnung davon hatte, aber ich vermutete, dass er dem restlichen Outfit ebenbürtig war. (Er nahm ihn ab, während er mit uns sprach, und hielt ihn sehr vorsichtig und förmlich vor dem Bauch.) Seine Stiefel stammten vermutlich nicht von Tony Lama, sondern von einem Geschäft, dessen Kunden die Erwähnung von Tony Lama nur ein geduldiges Lächeln entlocken würde. Doch zwischen Jackett und Stiefeln erstreckte sich vertikal indigofarbener Denim-Stoff, und dieser hinterließ bei mir den stärksten Eindruck. Skip Spences Jeans war perfekt. Während er und die Ur-Doobies mit großem Ernst über Studios und Manager redeten, begriff ich, dass es eine Levi’s war, ein paar Nummern zu groß gekauft und dann Naht für Naht dekonstruiert und auf Maß geschneidert. Die Nähte waren mit dem korrekten jodfarbenen Faden wieder geschlossen worden. Aber diese Hose passte nicht nur wie angegossen – so perfekt, wie ein Kleidungsstück nur passen kann –, sie war, komplett umgestaltet und rekontextualisiert, aus der Welt des banalen blauen Denim herausgerissen und in ein unbekanntes Reich der hispanoamerikanischen, katholischen Romantik versetzt worden.
Die Hosenbeine fielen ohne jeden Bruch über die Stiefel, weil sie aufgeschnitten und an Vorder- und Rückseite Falten eingenäht worden waren. Die Kanten waren makellos gesäumt. Vermutlich musste man die Hose chemisch reinigen lassen, für Jeans ein absolutes Novum.
In dieser Wohnstraße in einer reinen Arbeitergegend in Nordkalifornien sah Skip Spence so stilvoll aus, als stammte er von einem anderen, besseren Planeten. Aber ich wusste, dass ich hier Starqualitäten vor mir hatte und er auf der King’s Road nicht weniger Aufsehen erregt hätte.
Dann verabschiedete er sich, und wir gingen weiter, und jemand ließ leise durchblicken, dass Skip ein Heroinproblem und auch Schwierigkeiten mit seinem Label habe. Dennoch waren sich alle einig, dass er ein wirklich netter Typ war. Er hatte versprochen, ihnen zu helfen, und das hat er vermutlich auch getan.
Ich habe ihn und das Geschenk seiner mutigen Eleganz nie vergessen, dabei ist es erst ein knappes Jahr her, dass ich zum ersten Mal Oar hörte.
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Skip Spences Oar ist ein ergreifend schönes und zutiefst andersartiges Album – das Paradebeispiel für eigenwillige Außenseiterkunst. Es erstaunt mich immer noch, dass ich Jahrzehnte gebraucht habe, um darauf zu stoßen.
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Einleitung zu »Phantom Shanghai«,
Fotografien von Greg Girard
2007
Nie zuvor ist es mir so schwer gefallen, eine Einleitung zu einem Buch zu schreiben. Die Schachtel mit Abzügen von Greg Girards Fotografien steht schon viel zu lange bei mir herum, und jedes Mal, wenn ich sie öffne und anfange, die Bilder durchzuschauen, habe ich das Gefühl, mir müsse der Kopf platzen.
Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen. In meinen Romanen kommen zwar ähnliche Dinge vor, aber nicht in dieser Deutlichkeit. Manche Szenen in Neuromancer etwa ähneln diesen Fotos, zum Beispiel wenn die Protagonisten die verfallenen Überreste Manhattans besuchen und skizzenhaft globale Firmenkonglomerate beschrieben werden.
Aber jedes Mal, wenn ich die Schachtel öffne und diese Fotos anschaue, verschlägt es mir die Sprache und ein Kloß bildet sich in meinem Hals.
Diese Bilder sind Grenzerfahrungen. Sie stehen an der Grenze. Sie bilden die Grenze. Die Trennlinie. Sie schneiden durch Ablagerungen des kulturellen Gedächtnisses wie Buñuels Rasiermesser durch das Auge.
Es sind Bildnisse einer verlorenen Welt, eingefangen an dem Tag, bevor sie komplett verschwunden ist. Diese Bilder zeugen von einem tiefen Schmerz. Sie zeigen etwas, von dem wir instinktiv wissen, dass es eigentlich nicht passieren sollte.
Die Auslöschung. Hier sieht man, was ausgelöscht wurde. Vernichtet. Hier erhascht man einen letzten (und in meinem Fall ersten) Blick darauf. Dann heißt es Adios. »Einmal nachfassen, und die Sache läuft.« In den Abgrund.
Jenseits der Schlachtfelder des Fortschritts erhebt sich gewitterwolkengleich der billige Beton, von Bogenlampen beleuchtete Mesas, deren Design offenbar japanischer Unterhaltungselektronik nachempfunden wurde.
Während ich dies schreibe, so gebe ich offen zu, weiß ich kaum mehr über Shanghai, als diese Bilder mir zeigen. Sie kamen unerwartet über mich, quasi mitten in der Nacht.
Ich weiß, und wusste augenblicklich, dass ich sie nie vergessen würde.
City of Darkness von Ian Lambot und Greg Girard hat mich ebenfalls stark beeindruckt,
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