Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
»Futuristisches«. Sonst hätte sie mich vermutlich auch nicht so stark angesprochen. Ich sehe sie eher im Kontext des Zirkus, der Kuriositätenkabinette, medizinischen Museen und der Leidenschaften einsamer Erfinder. Ich verbinde sie mit Leonardo da Vincis Ornithopter, den exzentrischen Velocipeden des 19. Jahrhunderts und der viktorianischen Idee, Tote zu galvanisieren. Allerdings hat sie nichts Rückwärtsgewandtes an sich, sondern ist irgendwie zeitlos.Die Performances erinnern an die Momente der Industriellen Revolution, die in Humphrey Jennings’ Pandaemonium: The Coming of the Machine festgehalten werden: Momente der durch Technologie ausgelösten völligen kognitiven Disjunktion.
Die Veröffentlichung des vorliegenden Buches freut mich sehr, und ich warte gespannt auf den Tag, an dem die Museen der Welt zu quasi unsterblichen Vororten jenes großen Kunstwerks, »des Körpers«, werden.
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Stelarc macht das, wovon die Posthumanisten nur reden.
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The New York Times Magazine
Juli 1996
In einer meiner ersten Science-Fiction-Geschichten aus dem Jahr 1981 prägte ich das Wort »Cyberspace« und verwendete es in der Folgezeit häufig, um etwas zu beschreiben, was mitunter als literarischer Vorreiter des Internets betrachtet wird. Aus eben diesem Grund finden die Leute es immer wieder erstaunlich, dass ich keine E-Mail-Adresse habe. Ehrlich gesagt habe ich das absichtlich vermieden, und zwar aus reiner Faulheit und weil ich meine Zeit lieber damit verbringe, Löcher in die Luft zu starren (für mich eine Vorstufe zum Schreiben). Unbeantwortete Briefe, ob nun in elektronischer oder anderer Form, bereiten mir Unbehagen.
In jüngster Zeit entdeckte ich jedoch das World Wide Web für mich, was manche Leute seltsam finden. Meine Frau hält es sogar für pervers. Ich spüre jedoch, dass große Veränderungen im Gange sind, Möglichkeiten entstehen, die in früheren Inkarnationen des Netzes nicht vorhanden waren.
Ich wurde 1948 geboren. An eine Welt vor dem Fernsehen erinnere ich mich nicht, obwohl ich sie eigentlich noch gekannt haben müsste. Ich entsinne mich vage, dass irgendwann ein braunes Holzmöbel bei uns ankam, mit robusten Bakelitknöpfen und einem Schirm, der kaum größer war als der Bildschirm dieses PowerBooks.
Anfangs war darauf nichts zu sehen außer Flimmern und abends etwas, das Ähnlichkeit mit einer Zielscheibe hatte und »Testbild« genannt wurde. Damals sahen sich die Menschen tatsächlich das Testbild an.
Wenn ich heute durch das Netz surfe, muss ich daran denken. Das World Wide Web und seine bescheidenen Wunder sind möglicherweise kaum mehr als ein Testbild für das, was das 21. Jahrhundert als sein Medium betrachten wird. Auch wenn ich mir nicht einmal annähernd vorstellen kann, wie dieses Medium aussehen wird.
Im Zeitalter des Holzfernsehers saß man im Süden der USA, wo ich aufgewachsen bin, in seiner Freizeit auf den mit Fliegengittern geschützten Veranden, rauchte Zigaretten, trank Eistee, unterhielt sich und starrte Löcher in die Luft. Manchmal ging man auch angeln.
Das Netz erinnert mich ein wenig ans Angeln. Mit Unterhaltungen hat es wohl weniger zu tun, eher schon mit dem Löcher in die Luft Starren. Durchs Netz zu »surfen« (eine ebenso zweifelhafte Metapher wie die der »Datenautobahn«) ist den Worten eines Freundes nach so, »als würde man eine Zeitschrift mit verklebten Seiten lesen.« Meine Frau schüttelt nur verständnislos den Kopf, während ich geduldig darauf warte, dass mir ein japanischer Beatles-Fan seine persönliche Liste von Bootlegs herunterlädt. »Aber die sind doch aus Japan!« Sie bleibt skeptisch, geht raus in den Garten und betrachtet ihre Blumen.
Ich bleibe drinnen. Angefixt. Ist das Freizeit? Dieses Durchstöbern des Netzes, dieses willkürliche Durchstreifen virtueller Grundstücke? Oder stelle ich mir insgeheim vor, etwas anderes, etwas Dynamischeres zu tun? Der Inhalt des Netzes strebt der absoluten Vielfalt entgegen. Dort findet man einfach alles. Als würde man das kollektive globale Gedächtnis durchforsten. Irgendwo gibt es sicherlich eine Seite, die alles enthält … was wir verloren haben.
Die größte heimliche Freude eines neuen Benutzers des Netzes besteht darin, in die Suchmaschine von AltaVista die Namen von Menschen einzugeben, die man seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Wird sie dort sein? Hat er es bis in diesesZeitalter geschafft? ( Sie ist nicht zu finden. Jemand mit seinem Namen hat kürzlich in einem Nachrichtenforum
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