Mistelzweig und Weihnachtskuesse
willst. Ich war siebzehn, und Earl Haynes hat mich verführt. Da, ich gestehe mein Verbrechen. Bist du jetzt glücklich? Was ich getan habe, war falsch. Das gebe ich unumwunden zu. Ich wusste, dass er verheiratet war.“ Sie schwieg einige Sekunden. „Ich bin nicht stolz darauf. Meine einzige Verteidigung ist, dass ich naiv und vollkommen unerfahren war.“
„Er hatte eine Frau und vier Söhne. Hast du dir mal überlegt, was deine sogenannte unschuldige Affäre für uns bedeutet hat?“
Jordan kämpfte darum, seine Wut nicht abkühlen zu lassen. Für die Frau vor ihmwollte er nichts empfinden – weder Mitgefühl noch Mitleid.
„Er sagte, niemand würde es je erfahren“, erklärte sie.
„Tolle Entschuldigung.“
„Ich entschuldige nichts, ich erkläre. Ich war so jung.“
„Das war’s? Du warst jung?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Willst du jetzt keine unsterbliche Liebe für meinen Vater verkünden?“
Vor Kummer verdunkelten sich ihre blauen Augen. „Ich habe ihn nicht geliebt, Jordan. Ob das besser oder schlechter ist, weiß ich nicht, aber es ist die Wahrheit. Beschimpf mich, wie du willst. Schlimmer als meine Selbstvorwürfe kann es nicht werden.“ Noch einmal atmete sie tief ein. „Es ist neunundzwanzig Jahre her. Vielleicht ist es Zeit, loszulassen.“
„Das könnte dir so gefallen, nicht wahr?“, erwiderte er. „Aber die Geschichte geht noch weiter.“
Zum ersten Mal schien sie verängstigt. „Was meinst du?“
„Ich habe doch gesagt, dass ich alles weiß. Ich weiß auch, dass du die Stadt vor fast dreißig Jahren verlassen hast. Und ich weiß, dass du schwanger warst und ein Baby bekommen hast.“
Zitternd schloss Louise die Augen und schwankte im Sitzen auf dem Sofa.
„Nein“, murmelte sie. „Nein. Nicht jetzt. Nicht nach all den Jahren.“ Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen.
„Was ist mit dem Kind passiert?“
„Ich habe es zur Adoption freigegeben.“
Obwohl er es nicht anders erwartet hatte, schockierte ihn diese Nachricht. Es gab noch einen Haynes auf der Welt, einen fremden Halbbruder oder eine Halbschwester.
Als er zu Louise sah, bemerkte er, wie ihre Schultern zuckten und sie sich vor- und zurückwiegte. Aber sie blieb stumm in ihrem Schmerz.
Eigentlich hatte er dieses Gespräch genießen wollen. Tausende Male hatte er es im Kopf durchgespielt, und immer war Louise darin weinend und um Vergebung bettelnd zusammengebrochen. Aber jetzt verspürte er keine Genugtuung. Leben waren zerstört. Niemand konnte die Zeit zurückdrehen.
„Ich bin schon genug bestraft“, sagte sie. „Du hast kein Recht, mich zur Rede zu stellen. Was zwischen deinem Vater und mir geschehen ist, war ein Fehler. Aber niemand wusste davon. Ich bin nicht schuld, dass deine Familie auseinandergebrochen ist. Das hat Earl Haynes ganz allein geschafft.“
Tränen liefen ihre Wangen hinab, und zum ersten Mal sah man ihr jeden Tag ihrer sechsundvierzig Jahre an.
„Da irrst du dich. Vor siebzehn Jahren bist du nach Glenwood zurückgekommen, und mein Vater hat Kontakt zu dir aufgenommen“, machte Jordan weiter.
Ihr Mund öffnete sich. „Nein“, hauchte sie.
„Doch.“
„Nein. Ich meine, Earl hat sich bei mir gemeldet, aber ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Ich war reifer geworden und hatte aus meinen Fehlern gelernt. Jordan, ich schwöre dir, ich weigerte mich, überhaupt mit ihm zu reden. An einer Beziehung war ich nicht interessiert. Er war verheiratet. Und selbst, wenn er es nicht gewesen wäre, hätte ich ihm nie wieder getraut.“
„Zu dumm, dass du es ihm nicht klargemacht hast.“
„Was?“
„Du hättest ihm sagen sollen, dass du ihn nicht einmal als Single willst.“
„Das habe ich.“
„Er hat es dir aber nicht abgenommen.“
Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Was redest du da?“
Angestachelt von den bösen unverheilten Wunden aus einer Kindheit voller Leid, brach es aus Jordan heraus. „Mein Vater war überzeugt, dass du ihn nehmen würdest, wenn er nicht verheiratet wäre. Darum wollte er sich von meiner Mutter scheiden lassen.“
„Das ist doch verrückt.“
Jordan ballte die Hände zu Fäusten. „Fünfundzwanzig Jahre lang hat er im Umkreis von fünfzig Meilen alles gevögelt, was im Rock daherkam. Fünfundzwanzig Jahre hat er meine Mutter wie das Letzte behandelt und seine Kinder grün und blau geschlagen. Und dann wollte er die Scheidung. Um mit dir zusammenzusein.“
Mit großen Augen starrte Louise ihn an. „Das glaube ich dir
Weitere Kostenlose Bücher