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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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- wahrscheinlich dachte sie über meinen Wurmfortsatz nach.
    »Jedenfalls möchte ich einfach, daß die Leute in meiner Umgebung richtig aussehen, selbst wenn ich das aus eigener Tasche finanzieren muß. Mehr steckt nicht dahinter. Zerbrechen Sie sich also darüber nicht den Kopf. Ich tue das ausschließlich für mich. Unordentliche Kleidung ist mir zutiefst, geradezu körperlich zuwider.«
    »So wie ein Musiker es nicht ertragen kann, wenn jemand falsch spielt?«
    »So ähnlich.«
    »Kleiden Sie dann jeden in Ihrer Umgebung auf Ihre Kosten ein?«
    »Das könnte man sagen. Nicht, daß ich besonders viele Leute um mich hätte. Ich meine, es mag mich stören, was die Leute tragen, aber ich kann nicht allen Menschen auf der Welt ihre Kleidung kaufen, nicht wahr?«
    »Alles hat seine Grenzen«, sagte ich.
    »Genau.«
    Bald kamen unsere Salate, und wir begannen zu essen. Wie die Dame es gewünscht hatte, wies jeder Salat nicht mehr als ein paar Tropfen Dressing auf- so wenige, daß man sie an einer Hand hätte abzählen können. »Möchten Sie mich sonst noch etwas fragen?« fragte sie.
    »Ich wüßte gern Ihren Namen«, sagte ich. »Ich meine, es wäre hilfreich, wenn Sie einen Namen oder sonstwas hätten, was ich benutzen könnte.«
    Ein paar Augenblicke lang knabberte sie stumm an einem Radieschen. Dann bildete sich eine tiefe Falte zwischen ihren Augenbrauen, als habe sie soeben aus Versehen etwas Bitteres in den Mund genommen. »Wozu sollten Sie meinen Namen brauchen? Sie werden mir bestimmt keine Briefe schreiben. Namen sind irrelevant - bestenfalls.«
    »Aber wenn ich Sie zum Beispiel einmal von hinten rufen muß? Dazu müßte ich Ihren Namen schon wissen.«
    Sie legte ihre Gabel auf den Teller und betupfte sich mit ihrer Serviette den Mund. »Das leuchtet mir ein«, sagte sie. »Es ist mir noch nie in den Sinn gekommen, aber Sie haben recht. In einer solchen Situation könnten Sie durchaus meinen Namen brauchen.«
    Lange saß sie nachdenklich da. Während sie nachdachte, aß ich meinen Salat. »Fassen wir zusammen: Sie brauchen einen Namen, den Sie zum Beispiel verwenden können, um mich von hinten zu rufen, nicht wahr?«
    »Also braucht es nicht mein richtiger Name zu sein, nicht wahr?«
    Ich nickte.
    »Ein Name, ein Name … was für eine Art von Namen würde sich am besten eignen?«
    »Etwas Einfaches, etwas, was sich leicht rufen läßt, würde ich sagen. Wenn möglich etwas Konkretes, etwas Reales, eine Sache, die man anfassen und sehen kann. Dann wäre er leicht zu merken.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel nenne ich meinen Kater Oktopus. Ich habe ihn erst gestern so getauft.«
    »Oktopus«, sagte sie laut, wie um den Klang des Wortes zu prüfen. Eine Weile starrte sie auf die Salz- und Pfefferstreuer, die auf dem Tisch standen, blickte dann wieder zu mir auf und sagte: »Muskat.«
    »Muskat?«
    »Ist mir gerade eingefallen. So können Sie mich nennen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Nein, überhaupt nichts. Und wie soll ich Ihren Sohn nennen?«
    »Zimt.«
    » Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian « , sagte ich mit dem Anflug einer Melodie.
    »Muskat Akasaka und Zimt Akasaka. Nicht schlecht, finden Sie nicht?« Muskat Akasaka und Zimt Akasaka: Wie schockiert wäre May Kasahara gewesen, wenn sie erfahren hätte, daß ich solche Leute kennengelernt hatte! »Um Himmelswillen, Mister Aufziehvogel, können Sie sich denn nicht zur Abwechslung mal mit etwas normaleren Leuten einlassen?« Stimmt, warum eigentlich nicht, May Kasahara? Das war eine Frage, die ich nicht beantworten konnte. »Übrigens, im letzten Jahr habe ich zwei Frauen kennengelernt, die Malta Kano und Kreta Kano hießen«, sagte ich. »Was zur Folge hatte, daß mir alle möglichen Dinge passiert sind. Sie sind allerdings beide nicht mehr da.« Muskat nickte knapp, äußerte sich aber nicht.
    »Sie sind einfach irgendwohin verschwunden«, fügte ich matt hinzu. »Wie Tau an einem Sommermorgen.« Oder wie ein Stern im Morgengrauen. Sie führte mit der Gabel etwas zum Mund, das wie Chicorée aussah. Dann streckte sie ruckartig, als sei ihr plötzlich ein vor langer Zeit gegebenes Versprechen wieder eingefallen, die Hand nach ihrem Glas aus und nahm einen Schluck Wasser.
    »Sie wüßten doch sicher gern, was es mit dem Geld auf sich hat? Dem Geld, das Sie vorgestern erhalten haben? Oder irre ich mich?«
    »Nein, ich wüßte wirklich gern, was es damit auf sich hat.«
    »Ich habe nichts dagegen, es Ihnen zu erzählen, aber es könnte eine sehr

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