Mister Aufziehvogel
Körpers.«
»Elemente ihres Körpers«, sagte ich. Diese »Elemente des Körpers« waren offenbar ein Lieblingsthema von ihr.
»Ich kann Ihnen nicht im einzelnen erklären, wie alle diese Umstände zusammenhängen. Es würde eine sehr lange und sehr komplizierte Geschichte werden, und ohne Ihnen damit zu nahe treten zu wollen, muß ich Ihnen sagen, Herr Okada, daß es Ihnen in diesem Stadium so gut wie unmöglich wäre, diese Geschichte vollkommen zu verstehen: eine Geschichte, die eine Welt betrifft, mit der wir uns auf professioneller Basis befassen. Ich habe Sie nicht hierher eingeladen, um diesbezüglich irgendwelche Klagen vorzubringen. Sie sind natürlich für das, was geschehen ist, in keiner Weise verantwortlich. Ich wollte Sie lediglich davon in Kenntnis setzen, daß die Elemente meiner Schwester - und mag es sich auch lediglich um einen vorübergehenden Zustand handeln - von Herrn Wataya verunreinigt worden sind. Sie und meine Schwester werden wahrscheinlich irgendwann in der Zukunft in irgendeiner Form miteinander in Berührung kommen - wie ich bereits angedeutet habe, ist sie meine Assistentin. Dann wird es wahrscheinlich von Vorteil sein, wenn Sie wissen, was zwischen ihr und Herrn Wataya vorgefallen ist, und sich im klaren darüber sind, daß derlei Dinge passieren können.« Es entstand eine kurze Pause. Malta Kano sah mich an, als wollte sie sagen: Denken Sie bitte nach über das, was ich Ihnen gesagt habe. Also tat ich es. Ich dachte über die Tatsache nach, daß Noboru Wataya Malta Kanos Schwester vergewaltigt hatte. Über den Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und den Elementen des Körpers. Und über den Zusammenhang zwischen diesen und dem Verschwinden unseres Katers.
»Verstehe ich Sie richtig«, fragte ich vorsichtig, »daß weder Sie noch Ihre Schwester beabsichtigen, in dieser Angelegenheit gerichtliche Schritte zu unternehmen … zur Polizei zu gehen …?«
»Nein, selbstverständlich werden wir nichts dergleichen tun«, sagte Malta Kano mit ausdruckslosem Gesicht. »Strenggenommen machen wir überhaupt niemanden für den Vorfall verantwortlich. Wir möchten lediglich eine genauere Vorstellung davon gewinnen, was zu einem solchen Ereignis geführt hat. Solange wir diese Frage nicht beantwortet haben, besteht durchaus die Möglichkeit, daß sich etwas noch Schlimmeres ereignet.«
Das zu hören, bedeutete eine gewisse Erleichterung für mich. Nicht, daß es mich im mindesten gestört hätte, wenn Noboru Wataya wegen Vergewaltigung verurteilt und ins Gefängnis gesteckt worden wäre; es gab niemanden, dem ich es eher gegönnt hätte. Aber Kumikos Bruder war eine ziemlich bekannte Persönlichkeit. Seine Verhaftung und sein Prozeß hätten mit Sicherheit Schlagzeilen gemacht, und das wäre für Kumiko ein furchtbarer Schock gewesen. Wenn auch nur wegen meines eigenen Seelenfriedens war es mir lieber, wenn die Sache nicht an die große Glocke gehängt wurde.
»Glauben Sie mir«, sagte Malta Kano, »um diese Unterredung habe ich Sie ausschließlich wegen des verschwundenen Katers gebeten. Das war die Angelegenheit, in der Herr Wataya meinen Rat einholte. Frau Okada hatte sich in dieser Angelegenheit an ihn gewandt, und er wiederum wandte sich an mich.« Das erklärte einiges. Malta Kano war eine Art Hellseherin oder Medium oder was weiß ich, und sie hatten sie nach dem Verbleib des Katers gefragt. Die Watayas fuhren auf solche Dinge ab - Wahrsagerei, »Haus-Physiognomik« und was es sonst noch so alles gab. Mir sollte es recht sein: die Leute durften glauben, was immer sie wollten. Aber warum mußte er die jüngere Schwester seiner spirituellen Beraterin vergewaltigen? Warum einen Haufen unnötigen Ärger verursachen? »Ist das Ihr Spezialgebiet?« fragte ich. »Leuten helfen, Verlorenes wiederzufinden?«
Sie starrte mich mit diesen untiefen Augen an, Augen, die aussahen, als starrten sie ins Fenster eines unbewohnten Hauses. Ihrer Miene nach zu urteilen, hatte sie den Sinn meiner Frage gar nicht verstanden.
Ohne darauf zu antworten, sagte sie: »Sie wohnen an einem sehr sonderbaren Ort, nicht wahr, Herr Okada?«
»Tatsächlich?« sagte ich. »In welchem Sinne sonderbar?« Statt darauf einzugehen, schob sie ihr fast unberührtes Glas Tonic noch weitere zehn, fünfzehn Zentimeter von sich. »Katzen sind sehr sensible Tiere, wissen Sie?«
Abermals senkte sich Schweigen auf uns beide.
»Unser Haus ist also sonderbar, und Katzen sind sensible Tiere«, sagte ich. »Okay. Aber wir hatten
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