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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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immer leer aus. Und der könnte um so mehr Lärm schlagen. Wenn es um eine so heiße Story geht, ist es einfach nicht klug zu versuchen, den Leuten das Maul zu stopfen. Das ist die Wahrheit.
    Und ganz im Vertrauen, es könnten auch noch ein paar gemeingefährliche Spieler in die Sache verwickelt sein, Typen, von denen Sie, Herr Okada, nicht die blasseste Vorstellung haben. Sollte dies der Fall sein, wäre am Ende nicht lediglich unser lieber Herr Doktor betroffen. Und wenn’s dazu käme, würden schlagartig ganz andere Saiten aufgezogen. Das ließe sich mit einem Zahnarztbesuch vergleichen. Bislang befinden wir uns in dem Stadium, wo der Arzt an einer Stelle herumstochert, an der das Novocain noch gut wirkt. Weswegen sich auch keiner beklagt. Aber es dauert nicht mehr lange, und der Bohrer trifft auf einen Nerv, und dann geht jemand an die Decke. Jemand könnte ernstlich böse werden. Verstehen Sie, was ich meine? Ich versuche nicht, Sie einzuschüchtern, aber der alte Ushikawa hier wird einfach das Gefühl nicht los, daß Sie langsam, aber sicher auf ein gefährliches Terrain gezogen werden und das nicht einmal merken.« Ushikawa war anscheinend endlich zum springenden Punkt gekommen. »Sie wollen damit sagen, ich sollte besser aussteigen, bevor mir etwas zustößt?« fragte ich.
    Ushikawa nickte. »Was Sie da tun, ist, wie mitten auf der Autobahn Fangen spielen, Herr Okada. Das ist ein sehr gefährliches Spiel.«
    »Wozu erschwerend hinzukommt, daß es Noboru Wataya Ungelegenheiten bereiten könnte. Wenn ich also jetzt aus dem Spiel aussteige, bringt er mich mit Kumiko in Verbindung.«
    Ushikawa nickte noch einmal. »Das trifft die Sache ziemlich genau.« Ich nahm einen Schluck Bier. Dann sagte ich: »Zuallererst möchte ich eins klarstellen. Ich werde Kumiko zurückholen, aber ich werde es selbst tun, ohne die Hilfe Noboru Watayas. Ich will seine Hilfe nicht. Und in einem haben Sie ganz bestimmt recht: Ich mag Noboru Wataya nicht. Aber wie Sie selbst sagen, ist das hier keine Frage von Mögen oder Nichtmögen. Es ist etwas Grundlegenderes. Es ist nicht so, daß ich ihn lediglich nicht mögen würde: Ich kann das Faktum seiner Existenz nicht akzeptieren. Und deswegen weigere ich mich, irgendwelche Geschäfte mit ihm zu machen. Seien Sie bitte so freundlich und richten Sie ihm das aus. Und betreten Sie nie wieder dieses Haus ohne meine Erlaubnis. Das ist mein Haus und keine Lobby oder Wartehalle.«
    Ushikawa kniff die Augen zusammen und starrte mich eine Zeitlang durch seine Brillengläser an. Seine Augen blieben völlig unbewegt. Wie schon vorher, waren sie bar jeglicher Emotion. Nicht, daß sie ausdruckslos gewesen wären. Aber alles, was sich darin ausdrückte, war nur für den Augenblick hineingelegt. Jetzt hob er seine unverhältnismäßig große rechte Hand gespreizt in die Höhe, als wollte er feststellen, ob es regne. »Ich verstehe vollkommen«, sagte er. »Ich habe nie erwartet, daß es leicht würde, und daher überrascht mich Ihre Antwort nicht sonderlich. Nebenbei gesagt, bin ich sowieso nicht leicht zu überraschen. Ich verstehe Ihre Gefühle, und ich bin froh, daß die Karten jetzt offen auf dem Tisch liegen, ohne langes Rumgedruckse, einfach ein schlichtes Ja oder Nein. Das macht es für alle Beteiligten leichter. Das letzte, was ich als Brieftaube gebrauchen kann, ist eine von diesen verwickelten Antworten, aus denen kein Mensch schlau wird! Davon kriegt man schon viel zu viele zu hören! Ich will mich bestimmt nicht beklagen, aber ich hab’s anscheinend tagaus, tagein nur mit Sphinxen zu tun, die mir Rätsel aufgeben. Dieser Job ist nichts für meine Gesundheit, kann ich Ihnen sagen. Bei einem solchen Leben kann man ganz leicht tückisch werden. Verstehen Sie, was ich meine, Herr Okada? Man wird argwöhnisch, wittert ständig irgendwelche Hintergedanken, schafft es nie, etwas klipp und klar für bare Münze zu nehmen. Das ist ganz schlimm, Herr Okada, ganz schlimm.
    Also schön dann, Herr Okada, ich werde den Herrn Doktor davon in Kenntnis setzen, daß Sie ihm eine klare Antwort gegeben haben. Aber machen Sie sich keine Hoffnungen, daß die Angelegenheit damit erledigt sein könnte. Sie möchten vielleicht mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben, aber so einfach ist das nicht. Ich werde Sie wahrscheinlich noch einmal aufsuchen müssen. Es tut mir leid, daß ich’s Ihnen zumuten muß, sich mit so einem häßlichen, dreckigen kleinen Burschen abzugeben, aber bitte, versuchen Sie sich

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