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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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pappen überall, wo keine Schildchen sind, welche drauf. Und nicht nur Namen: auch Nummern. Die könnten ebensogut Roboter sein, so emotionslos, wie sie an die Sache rangehen. Aber genau darauf basiert ja diese unsere freiheitlich-kapitalistische Grundordnung … Was uns zwingend zu dem Schluß führt, daß das Geld, von dem Sie und ich gerade reden, durchaus einen Namen hat, und einen ganz ausgezeichneten Namen dazu.« Während Ushikawa redete, betrachtete ich seinen Kopf. Je nach Einfallswinkel zauberte das Licht ein paar ziemlich merkwürdige Dellen in seine Kopfhaut. »Keine Sorge«, sagte er lachend. »Es wird schon kein Steuerbeamter hier aufkreuzen. Und selbst wenn er hier aufkreuzte - bei dem Labyrinth, durch das er sich durcharbeiten müßte, würde er zwangsläufig irgendwo gegenknallen. Bums!
    Der würde sich nur eine riesige Beule einhandeln. Und schließlich und endlich ist das Ganze für ihn nur ein Job: Er hat keine Lust, sich dabei weh zu tun. Wenn er sein Geld bekommen kann, dann macht er es lieber auf die bequeme als auf die harte Tour: je bequemer, desto besser. Solange er bekommt, was er will, ist alles in Ordnung. Jeder normale Mensch wird sich für die bequeme Tour entscheiden, und ganz besonders, wenn sein Chef ihm sagt, er soll’s so machen. Ich hab gefunden, was ich gefunden habe, weil ich es war, der gesucht hat. Ich möchte ja nicht angeben, aber ich bin gut. Ich seh vielleicht nicht so aus, aber ich bin wirklich gut. Ich weiß, wie man Beulen vermeidet. Ich weiß, wie man sich im Stockfinstern die Straße langschleicht, ohne irgendwo gegenzuknallen.
    Aber, um die Wahrheit zu sagen, Herr Okada (und ich weiß, Sie sind jemand, dem ich wirklich alles anvertrauen kann): Nicht einmal ich weiß, was Sie in dem Haus da eigentlich treiben. Ich weiß, daß die Leute, die Sie dort aufsuchen, ein Heidengeld bezahlen. Also müssen Sie etwas ganz Besonderes für sie tun, etwas, was ihnen so viel wert ist. So weit ist die Sache also klar wie Kloßbrühe. Aber was genau Sie da eigentlich tun, und warum Sie so versessen auf dieses bestimmte Stück Land sind, das ist mir schleierhaft. Das sind die zwei wichtigsten Punkte in der ganzen Angelegenheit, aber sie sind gleichzeitig auch die zwei verstecktesten, wie der Mittelpunkt vom Aushängeschild eines Handlesers. Das bereitet mir Kopfzerbrechen.«
    »Im Klartext: Das bereitet Noboru Wataya Kopfzerbrechen«, sagte ich. Statt zu antworten, fing Ushikawa an, an dem verfilzten Gestrüpp über seinen Ohren zu zupfen.
    »Das bleibt jetzt bitte unter uns, Herr Okada, aber ich muß gestehen, daß ich Sie wirklich bewundere. Soll keine Schmeichelei sein. Das mag jetzt komisch klingen, aber im Prinzip sind Sie ein wirklich ganz gewöhnlicher Bursche. Oder um es noch krasser zu formulieren: Sie haben überhaupt nichts Besonderes an sich. Nehmen Sie’s jetzt bitte nicht krumm, ist nicht bös gemeint. Aber was Ihre bürgerliche Angepaßtheit anbelangt, da stimmt’s schon. Aber jetzt, wo ich Ihnen persönlich gegenübersitze und so mit Ihnen rede, da finde ich Sie - wie Sie sich schlagen - wirklich sehr, sehr eindrucksvoll. Ich meine, man braucht sich doch bloß anzusehen, wie Sie’s fertiggebracht haben, einen Mann wie Dr. Wataya aufzurütteln! Deswegen bin ich ja auch nur die Brieftaube. Ein ganz gewöhnlicher Mensch brächte das nicht fertig.
    Und das gefällt mir so an Ihnen. Das sage ich wirklich ganz ehrlich. Ich mag der letzte Abschaum sein, aber was solche Dinge anbelangt, lüge ich nicht. Und die Meinung, die ich von Ihnen habe, ist auch nicht so ganz objektiv. Wenn Sie als angepaßter Bürger nichts Besonderes sind, bin ich noch hundertmal schlimmer. Ich bin nur ein ungebildeter Hohlkopf aus miesesten Verhältnissen. Mein Vater war ein Mattenflechter aus Funabashi, ein Alkoholiker, ein echter Mistkerl. Ich hab mir immer gewünscht, er würde verrecken und mich in Ruhe lassen, so elend ging’s mir als Kind, und zu guter - oder schlechter - Letzt ist mein Wunsch auch in Erfüllung gegangen. Danach habe ich erlebt, was wirkliches Bilderbuch-Elend bedeutet. Ich hab keine einzige angenehme Erinnerung aus meiner Kindheit, weder Vater noch Mutter haben je ein freundliches Wort für mich übriggehabt. Kein Wunder, daß ich schlecht geworden bin! Durch die Mittelschule habe ich mich irgendwie durchgemogelt, aber danach kam für mich nur noch die harte Schule des Lebens. Hab mich eben so durchgeschlagen. Deswegen habe ich auch eine gewisse Abneigung gegen Leute aus

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