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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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in der Zwischenzeit das Bedürfnis verspüren sollten, etwas zu sagen, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Dann brauchen Sie nicht zu sterben. Unser Mann hier hat das schon mehrmals gemacht, und er hat bisher noch jeden zum Sprechen gebracht. Halten Sie sich das bitte gegenwärtig. Je eher wir aufhören, desto besser für uns beide.«
    Das Messer in der Hand, sah der bärenhafte mongolische Offizier Yamamoto an und grinste. Bis zum heutigen Tag habe ich dieses Lächeln nicht vergessen. Ich sehe es in meinen Träumen. Ich habe es nie geschafft, es aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Kaum war dieses Lächeln über sein Gesicht gegangen, machte er sich an die Arbeit. Während die Soldaten Yamamoto mit ihren Händen und Knien auf den Boden preßten, begann der Offizier, ihn mit der äußersten Sorgfalt zu häuten. Es war wirklich so, als würde er einen Pfirsich schälen. Ich konnte es nicht mit ansehen. Ich schloß die Augen. Als ich das tat, schlug mich einer der Soldaten mit dem Kolben seines Gewehres. Er schlug immer weiter, bis ich die Augen öffnete. Aber es spielte ohnehin kaum eine Rolle: Ob ich die Augen offen oder geschlossen hielt, ich konnte doch immer noch Yamamotos Stimme hören. Er ertrug den Schmerz ohne eine Klage - anfangs. Aber bald fing er an zu schreien. Ich hatte noch nie solche Schreie gehört: sie schienen aus einer anderen Welt zu kommen. Der Mann hatte damit den Anfang gemacht, daß er Yamamotos Schulter aufschlitzte; jetzt pellte er die Haut des rechten Armes von oben nach unten ab - langsam, sorgfältig, fast liebevoll. Wie der russische Offizier gesagt hatte, meinte man fast, einen Künstler bei der Arbeit zu sehen. Wären die Schreie nicht gewesen, hätte man nie gedacht, daß hier irgendwelche Schmerzen mit im Spiel sein könnten. Aber die Schreie verrieten, welch grauenvoller Schmerz diese Arbeit begleitete.
    Schon bald hatte sich die ganze Haut von Yamamotos rechtem Arm wie eine einzige dünne Hülle abgelöst. Der Abhäuter reichte sie dem Mann, der neben ihm kniete, und der hielt sie mit den Fingerspitzen geöffnet und zeigte sie herum, damit die anderen sie sich gut ansehen konnten. Die ganze Zeit tropfte Blut von der Haut herunter. Dann nahm sich der Offizier Yamamotos linken Arm vor und wiederholte die ganze Prozedur. Danach häutete er beide Beine, schnitt den Penis und die Hoden ab und entfernte die Ohren. Dann häutete er den Kopf und das Gesicht und alles übrige. Yamamoto verlor das Bewußtsein, erlangte es wieder und verlor es erneut. Immer, wenn er ohnmächtig wurde, verstummten die Schreie, und sobald er zu sich kam, setzten sie wieder ein. Aber seine Stimme wurde allmählich schwächer, und schließlich versiegte sie vollends. Während dieser ganzen Zeit zeichnete der russische Offizier mit dem Absatz seines Stiefels bedeutungslose Zeichen in den Staub. Die mongolischen Soldaten verfolgten die Prozedur schweigend. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos, sie verrieten weder Abscheu noch Erregung noch Erschütterung. Sie sahen mit derselben Miene zu, wie Yamamotos Haut Stück für Stück abgelöst wurde, mit der ein Spaziergänger an einer Baustelle stehenbleiben und sich die Arbeiten ansehen würde. Bei alldem hatte ich mich ununterbrochen übergeben. Immer und immer wieder. Noch lange, nachdem ich eigentlich nichts mehr im Magen haben konnte, fuhr ich fort zu würgen. Zuletzt hielt der mongolische Offizier die Haut von Yamamotos Rumpf, sauber abgeschält, in die Höhe. Selbst die Brustwarzen waren unversehrt. Nie wieder habe ich etwas so Grauenvolles gesehen. Jemand nahm ihm die Haut ab und breitete sie zum Trocknen aus, wie wir ein Laken ausbreiten würden. Alles, was auf dem Boden zurückblieb, war Yamamotos Leichnam, ein blutiger roter Klumpen Fleisch, von dem selbst die letzte Spur von Haut entfernt worden war. Den entsetzlichsten Anblick bot das Gesicht. Zwei große weiße Augäpfel starrten aus der roten Fleischmasse hervor. Mit entblößten Zähnen klafften die Kiefer wie zu einem Schrei auseinander. Zwei kleine Löcher waren alles, was von der abgeschnittenen Nase übrigblieb. Der Boden war ein Meer von Blut. Der russische Offizier spuckte auf den Boden und sah mich an. Dann zog er ein Taschentuch hervor und wischte sich den Mund. »Der Bursche wußte wirklich nichts, wie?« sagte er und steckte das Taschentuch wieder ein. Seine Stimme klang etwas matter als zuvor. »Wenn er etwas gewußt hätte, dann hätte er geredet. Schade. Aber nun, der Mann war ein Profi.

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