Mister Cool und Lady Crazy - Andersen, S: Mister Cool und Lady Crazy
„Du erzählst nie etwas von deiner Familie.“
Er hielt einen Moment inne. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich bin das einzige Kind eines Einzelkindes, insofern habe ich nicht viele Verwandte.“
„Dann sind deine Eltern tot?“
„Ich habe keinen blassen Schimmer. Meinen alten Herrn kenne ich nicht, also weiß ich nicht, ob er tot ist oder lebt. Und was meine Mutter betrifft, nun, ihrem Lebensstil nach würde es mich nicht wundern, wenn sie bereits unter der Erde wäre. Als ich aus der Jugendfürsorge entlassen wurde, war sie noch gesund und munter, aber ich habe sie in den letzten einundzwanzig Jahren, seit sie beschlossen hat, mich loswerden zu müssen, weder gesehen noch gesprochen.“
Wenn er fünfunddreißig war, bedeutete das ... „Deine Mutter hat dich mit vierzehn der Jugendfürsorge überlassen?“ Macy wusste nicht, warum sie diese Tatsache so umhaute, aber sie hätte ihn am liebsten umarmt und mit Küssen übersät. Und sie verspürte den Wunsch, seine Mutter aufzuspüren, wenn sie noch lebte, und sie windelweich zu prügeln. Da sie aber instinktiv spürte, dass er auf keinen Fall ihr Mitleid wollte, sagte sie nur in sachlichem Ton. „Nun, das ist ziemlich beschissen.“
Er ließ die breiten Schultern kreisen. „Das war es damals. Aber inzwischen ist es mir ziemlich egal. Aber wie sieht es bei dir aus?“
„Bei mir?“
„Ich weiß, dass du Bud und Lenore ziemlich nahestehst, aber was ist mit deinen Eltern?“
Eigentlich wollte sie ja ihn besser kennenlernen und nicht über sich selbst sprechen. Sie atmete hörbar aus. „Ich kenne meinen Dad auch nicht. Meine Eltern waren verheiratet, aber ich war noch ganz klein, als er starb. Und meine Mutter? Nun, Mom würde auch nicht gerade zur Mutter des Jahres gewählt werden. Sie hat mich jahrelang von Stadt zu Stadt gezerrt, bis mein größter Traum war, endlich irgendwo zu bleiben.“
„Warum ist sie so oft umgezogen?“
„Da fragst du mich was.“ Sie zuckte mit den Schultern, als ob es ihr egal wäre. Doch noch immer spürte sie diese alte Verärgerung, weil ihre Mutter nie darüber hatte sprechen wollen. „Ich schätze, sie hat immer nach irgendwas gesucht. Und das hat sie wohl nicht gefunden, denn sie ist nach wie vor unterwegs.“ Sie hob die Schultern. „Ich weiß es nicht, sie meldet sich fast nie.“ Doch dann schüttelte sie schnell das ungute Gefühl ab, indem sie Gabriel das sagte, was als Einziges zählte. „Immerhin hatte ich Tantchen Lenore und Onkel Bud.“
„Was für ein Glück.“
„Kannst du laut sagen. Die beiden sind wie der Hauptgewinn im Lotto. Ihnen habe ich zu verdanken, was aus mir geworden ist. Nun, zumindest was meine guten Seiten betrifft. Für alles andere übernehme ich selbst die Verantwortung.“
Nachdem das Gespräch nun im Gang war, wollte sie unbedingt mehr erfahren. „Also“, sagte sie, kletterte von der Leiter und schob sie ein paar Zentimeter weiter. „Woher kommt dein Interesse an der Brandbekämpfung?“
Ein großartiger Tag. Gabe verknotete ein Handtuch um seine Hüften und wischte pfeifend den beschlagenen großen Spiegel im Badezimmer sauber. Dann griff er nach dem Rasierschaum, sprühte sich etwas in die Hand und verteilte ihn auf dem Gesicht. Er rasierte einen breiten Streifen durch den Schaum und wusch die Klinge aus.
Obwohl er und Macy in der vergangenen Woche eine Menge Zeit miteinander verbracht hatten, hatte ihn nie das Gefühl verlassen, dass sie vieles vor ihm zurückhielt. Doch heute – tja, heute hatte sie sich zum ersten Mal richtig geöffnet. Sie hatte erzählt, hatte Fragen gestellt und seine beantwortet. Und das gefiel ihm. Das gefiel ihm sogar sehr.
Davon einmal abgesehen hatten sie den kompletten Kellerraum gestrichen. Heute war wirklich ein besonderer Tag.
Und heute Abend wollten sie miteinander ausgehen.
Nun, nicht sie beide allein, aber trotzdem handelte es sich um ihre erste offizielle Verabredung. Um eine Doppelverabredung, um genau zu sein, etwas, was er bisher noch nie gemacht hatte. Doch Macy wollte, dass sie sich mit Grace und Jack trafen. Ihm war es egal. In dieser Stadt konnte man nirgendwo anders hingehen als ins Red Dog, insofern wären sie sowieso von einem Haufen Menschen umgeben.
Außerdem könnte es auch interessant werden. Seine Ex war mit ihrem Ex zusammen. Seltsam, aber eben interessant.
Jack ist wie der Bruder, den ich nie hatte.
Grinsend hob er das Kinn und rasierte seinen Hals. Jack war gar nicht ihr Ex, wie sich herausgestellt hatte.
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