Mister Cool und Lady Crazy - Andersen, S: Mister Cool und Lady Crazy
Jemand klopfte.
„Leg mal einen Zahn zu, Junge“, nörgelte Mr Grandview jenseits der Tür. „Ich bin ein alter Mann. Meine Eingeweide funktionieren nicht mehr so gut wie früher.“
Wenig später trat Gabe aus dem Badezimmer. „Gehört ganz Ihnen“, sagte er zu dem älteren Mann, der sich mit einer Zeitung in der Hand an ihm vorbeidrückte.
Gabe ging über den Flur in sein Zimmer. Seine gute Stimmung hielt an, während er ein marineblaues T-Shirt, seine neueste Jeans und ein rostfarbenes kurzärmliges Hemd wählte, das er offen über dem T-Shirt tragen wollte. Dann, als er mit einer Bürste durch sein Haar fuhr, sagte er laut: „Hodensack, Brieftasche, Brille und Uhr.“ Diesen uralten Spruch hatte ihm ein alter Betreuer im Creighton Boy’s Home beigebracht. Auf diese Weise, hatte der gesagt, hätte ein Mann auf jeden Fall alles Wichtige bei sich, bevor er das Haus verließ. Als er die Treppe hinuntersprang, pfiff er wieder.
Das änderte sich abrupt, als Macy ein paar Minuten später wieder in einer ihrer Aufmachungen in den Gang spaziert kam.
Himmel noch mal. Konnte sie nicht ein einziges Mal ohne irgendeine komische Verkleidung in die Öffentlichkeit gehen?
Andererseits, auch egal. Außerdem war es diesmal gar nicht so verrückt – ihre Aufmachung erinnerte ein wenig an die Femme Fatale in einem französischen Film Noir: eine schmale weiße Seidenbluse, ein enger schwarzer Rock und diese blauen Retro-Peep-Toe-Pumps, die er von ihrem ersten Zusammentreffen kannte. Sie trug einen Seitenscheitel und schien die Ponyfransen festgesteckt zu haben, denn eine schimmernde Welle fiel über ihr rechtes Auge. Das linke war dramatisch dunkel geschminkt, die Wimpern waren so lang, dass sie künstlich sein mussten, und ihre Lippen waren dunkelrot. Sie sah sexy und ein bisschen gefährlich aus, aber es war nun einmal so, dass er das ungeschminkte, zugängliche Mädchen viel mehr mochte als diese theatralische Frau. Verflixt, sie war eine Video-Queen, Gott und die Welt wusste das. Da brauchte sie doch nicht so eine verdammte Verkleidung, um diese Tatsache zu unterstreichen.
Doch er hatte kein Recht, ihr vorzuschreiben, wie sie sich anziehen sollte. Egal wie sehr es ihn störte, dass sie sich hinter diesen Klamotten verstecken musste, er würde das schön für sich behalten. Heute ging es nur darum, Spaß zu haben.
„Du siehst gut aus“, sagte sie und fuhr dann mit gesenkter Stimme fort: „Ich hoffe, es stört dich nicht, aber ich habe auch Janna eingeladen. Ich weiß, dass es somit eigentlich kein Date mehr ist, aber Ty übernachtet bei seinen anderen Großeltern, und sie hat ziemlich wenig Spaß gehabt seit diesem Autounfall.“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm, stellte sich auf Zehenspitzen und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund. „Ich mach’s wieder gut. Ich lade dich ins Kino und zum Essen in Wenatchee ein, wann immer du Zeit hast. Was soll’s, du darfst dir sogar irgendeinen Actionstreifen raussuchen.“
Ihm wurde warm ums Herz. Verrückte Klamotten hin oder her, das war die echte Macy: Die Frau, die – egal wie schwer es ihr die Stadt machte – zurückgekommen war, um ihrer Familie beizustehen. „Abgemacht.“
Janna kam aus ihrem und Macys Zimmer. Der Gips war weg, sie brauchte auch keine Krücken mehr, doch an irgendwelchen Wettläufen würde sie noch nicht so schnell teilnehmen können.
„Du siehst hübsch aus“, sagte er zu Janna.
Janna strich sich befangen über das dunkle Haar. „Ich hoffe, es ist okay, wenn ich mitkomme.“
„Aber klar. Ich kann schon mal den Wagen holen, und ihr beide wartet auf der Veranda.“
Macy strich ihm strahlend mit der Fingerspitze über die Wange, dann ging sie auf ihre Cousine zu und hakte sie unter.
Später im Red Dog musste er sich eingestehen, dass er sich bei der Vorstellung, mit Grace zusammenzutreffen, doch nicht ganz wohlgefühlt hatte. Sie war die Geliebte von Savage. Es störte ihn nicht, dass sie mit einem anderen Mann schlief – er hatte sie einfach nur nie als sexuelles Wesen wahrgenommen. Offenbar hatte er in dieser Hinsicht einen blinden Fleck gehabt.
Jetzt, wo er sie zusammen mit Jack sah, änderte sich das innerhalb der ersten fünf Minuten. Er sah, wie sie miteinander sprachen, wie sie sich berührten, sah den Blick in ihren Augen und wie sie mit der Zunge ihre Lippen befeuchtete, wenn Jack sie anblickte – was er oft tat. Wie arrogant war es von ihm gewesen zu glauben, nur weil zwischen ihnen keine Funken sprühten, wären
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